Die Szenarientechnik – Entwicklungsverläufe prognostizieren

Als Projektleiter, Strategieentwickler oder Produktverantwortlicher bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:

  • Wie entwickelt sich unser Projekt bis Jahresende im optimalen, wahrscheinlichsten bzw. schlechtesten Fall?
  • Welche impliziten Annahmen liegen unserer 3-Jahres Strategieplanung zu Grunde?
  • Worin bestehen die wesentlichen Einflussfaktoren und Störereignisse für Erfolg oder Misserfolg unseres neuen Wertangebots?

Unterstützung findest Du in der Szenarientechnik und dem Verfahren der Szenarienanalyse.


Ergebnis: wahrscheinliche Szenarien für Entwicklung und Ziel-Stand eines Sachverhalt erstellt

Teilnehmer: mind. 1 (besser: im Expertenteam)

Dauer: ab 60 Minuten je Sachverhalt

Utensilien: Whiteboard/Flipchart/Metaplan-Wand, Stifte sowie Notebook, Internet & Office Software


Sofort mit professionellen Templates starten?

Nutze die Consulting Methodenvorlagen XXL mit über 440 Office Vorlagen für Deinen Projekterfolg!


Zweck

Mit der Szenarientechnik erfasst und durchdenkst Du mögliche zukünftige Zustands- und Entwicklungsalternativen für einen Sachverhalt. Das Prognose- und Analyseinstrument mit mittel- und langfristigen Planungshorizont legt offen, welche Faktoren den Entwicklungsverlauf maßgeblich beeinflussen und welche Zielzustände wahrscheinlich sind. Zudem macht die Methode zu Grunde liegenden Annahmen transparent.

Nutze die Szenarientechnik für das systematische Vorbereiten auf die Zukunft, beispielsweises bei…

  • der Strategieentwicklung und Langfristplanung in Unternehmen (z.B. Fusionen & Akquisitionen, Marktpotenzialeinschätzung, Bewertung von Trends und Langfristeinflüsse)
  • der betriebswirtschaftlichen Erfolgsbewertung neuer Wertangebote (z.B. Produkteinführung, Service-Umgestaltung)
  • Richtungsentscheidungen bzgl. Vorgehen und Ergebnisse in Projekten (z.B. Kostenbetrachtung bei Make-or-Buy-Beschlüssen, Risikobetrachtung eines klassischen oder agilen Ansatzes)

Auch im privaten Kontext hilft Dir die Szenarientechnik. Verwende das Werkzeug zum Beispiel bei

  • der Entscheidung für einen neuen Job („Worin bestehen mögliche Entwicklungspfade?“),
  • dem Kauf einer Immobilie („Wie gehen wir mit unvorhergesehenen Ereignissen während der Kredittilgungsphase um?“) oder
  • dem Start einer berufsbegleitenden Ausbildung („Auf welche Weise lassen sich Anstellung und Weiterbildung vereinbaren?“).

Synonyme für die Szenarientechnik sind Szenarienmethode, Szenarienmethodik oder Szenarienanalyse bzw. eine Schreibweise mit Bindestrich. Andere Quellen nutzen den vorangestellten Begriff ‚Szenario‘ im Singular. Ich bevorzuge die Pluralform Szenarien, da Du mit der Technik im Normalfall mehrere Szenarien erarbeitest.


Aufbau

Als Werkzeug der Prognose bedient sich die Szenarientechnik mehrerer Konzepte. Für Begriffsklarheit eine kurze Übersicht.

Sachverhalt – „Für welches Thema wollen wir Szenarien entwickeln?“

Dreh- und Angelpunkt der Technik ist der zu betrachtende Sachverhalt (auch Analysethema, Prognosethema, Beobachtungsobjekt oder Szenarienfeld). Das kann ein Unternehmen(-steil), ein Wertangebot, ein (Teil-)Projekt, ein Problem oder Ziel oder eine Schlüsselfrage sein, also alles über was Du Informationen zur zukünftigen Änderung in einem spezifischen Zeitrahmen benötigst.

Einflussfaktor – „Was bestimmt den Sachverhalt?“

Ein Einflussfaktor (auch Schlüsselfaktor, Einflussvariable, Feldvariable oder kritischer Faktor) wirkt mit einer bestimmten Intensität direkt auf den definierten Sachverhalt ein. Nutze das PESTEL Framework, um heutige und zukünftige politische, wirtschaftliche, soziokulturelle, technologische ökologische und rechtliche Faktoren zu identifizieren bzw. zwischen diesen zu unterscheiden. Für Einflussfaktoren einer Branche unterstützt Dich das Five Forces Modell.

Jeder Einflussfaktor besitzt bestimmte Kerngrößen (auch Deskriptoren). Diese sind quantitative (z.B. Ausgaben im Haushaltsplan eines Landes) oder qualitative (z.B.  positiv, negativ, neutral Einstellung der Bevölkerung zur neuen Technologie) Ausprägungen eines Faktors.

Trend – „Welche für den Sachverhalt relevanten Einflussfaktoren wandeln sich?“

Eine gerichtete Entwicklung des Wandels über die Zeit. Grundlage sind menschliche Bedürfnisse. Übersetzt auf die Szenarientechnik können das neue, sich ändernde oder nicht mehr existierende Einflussfaktoren bzw. Ausprägungen zum Sachverhalt sein.

Störereignis – „Was kann die Einflussfaktoren abrupt ändern?“

Ein Störereignis (auch überraschendes Ereignis) ändert zu einem Zeitpunkt in der Zukunft abrupt die Ausprägungen der Einflussfaktoren bzw. verschiebt das Spektrum der gültigen Einflussfaktoren. Typische Vertreter im Geschäftsleben sind Wirtschaftskrisen, Pandemien oder Kriege.

Störereignisse sind spekulativ. Sie treten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit auf und wirken immer negativ auf die Entwicklung des Sachverhalts.

Projektion – „Welche Einflussfaktoren lassen sich für einen Zeitraum zusammenfassen?“

Ein Annahmebündel zusammengehöriger und konsistenter Einflussfaktoren sowie ihre wahrscheinlichen Ausprägungen für einen spezifischen Zeitraum.

Beachte, das oft unterschiedliche Ausprägungen der Faktoren – und damit verschiedene Projektionen – möglich sind. Zudem basieren die Ausprägungen immer auf Annahmen, welche Du explizit festhalten solltest.

Szenarium – „Welche Projektionen lassen sich für einen Zeitraum zusammenfassen?“

Das Szenarium (auch Szenario oder Zukunftsbild) ist eine Menge von zueinander stimmigen und widerspruchsfreien Projektionen. Es zeigt Chancen und Risiken in der Entwicklung und dem Ziel-Stand des Sachverhalts auf. Beschreibe ein Szenarium prägnant, anschaulich sowie bzgl. Stärken und Schwächen ausgewogen. Verdeutliche es durch passende Grafiken, Fotos und Illustrationen.

Unterscheide zwischen…

  • einem wahrscheinlichen Trendszenarium (Trendextrapolation, Basisszenarium, Most Likely Case, Base Case Szenarium), welches die Gegenwart in einem kurzfristigen Zeitrahmen fortschreibt,
  • zwei konträren, aber plausiblen Extremszenarien (Worst Case, Best Case) sowie
  • optionalen Szenarien für weitere Annahmen.

Die sich später realisierende Zukunft liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit zwischen dem optimistischen bzw. pessimistischen Extremszenarium.

Szenarientechnik
Visualisierung von Szenarien mit Hilfe des Denkmodells Szenarientrichter

Eine eingängige Darstellung für Szenarien ist der Szenarientrichter. Ausgehend vom Ist-Zustand entsteht für die Zukunft ein von den beiden Extremzuständen begrenzter Raum möglicher Ziel-Zustände. Diese sind auf einen Kennwert verdichtet (z.B. Gewinn, Umsatz, Marktanteil). Je weiter dieser Zeitpunkt in der Zukunft liegt, desto größer dieser Prognosekorridor bzw. die Öffnung des Trichters.

In der Beispielabbildung ist die Entwicklungslinie von Szenarium A.1 zunächst positiv. Zum Zeitpunkt t tritt ein Störereignis ein. Dieses bewirkt ein Abfallen der Entwicklungslinie. Die Maßnahme begrenzt die Schäden. Die Folge: Szenarium A.2 schließt zum Zielzeitpunkt besser als der Worst Case ab.


Anwendung

Die Identifikation und Bewertung von Einflussfaktoren und  Ausprägungen sowie ihre Bündelung zu Projektionen und Szenarien erfordert fachlichen Sachverstand. Absolviere eine Szenarienanalyse daher im Team, beispielsweise im Rahmen eines Workshops.

1. Ziele & Sachverhalt definieren

Präzisiere im ersten Schritt das Ziel der Szenarientechnik. Hilfreiche Fragen:

  • Was soll mit der Entwicklung von Szenarien erreicht werden?
  • Welche Entscheidungen sollen unterstützt werden?
  • Welche Strategie soll entwickelt werden?

Präzisiere dann dass zu betrachtende Thema. Nutze bei Bedarf Kreativitätstechniken wie Brainstorming oder Question Burst™. Fixiere schließlich das Zieljahr der Betrachtung und beschreibe den Ist-Zustand.

2. Einflussfaktoren und Ausprägungen identifizieren

Spüre Einflussfaktoren zum Beispiel mit dem PESTEL Framework auf. Strukturiere, fasse zusammen und bewerte die Wirkungsintensität.

Validiere mittels Expertenworkshops die Wirkungsintensität und den Ist-Zustand.

3. Projektionen aufstellen

Fasse wahrscheinliche Ausprägungen zusammengehöriger Einflussfaktoren zu Projektionen zusammen. Berechnungsverfahren wie der Konsistenzansatz nutzen dazu Matrizen. In diesen stehen sich alle Faktoren gegenüber und es wird transparent, welche Ausprägungen sich gegenseitig verstärken bzw. neutral oder widersprüchlich zueinander sind.

4. Szenarien entwickeln

Kombiniere auf Basis der Analysen nun fachlich verwandte Projektionen zu Szenarien. Berücksichtige interne (z.B. Streik der Belegschaft) und externe (z.B. Eintritt eines Wettbewerbers) Störereignisse.

5. Maßnahmen ableiten

Leite im letzten Schritt konkrete Aufgaben, Arbeitsprinzipien bzw. Projekte ab, die ein gewünschtes Szenarium ermöglichen oder befördern bzw. ungewünschte Vertreter abschwächen oder gar ganz vermeiden.

Unterscheide zwischen Präventiv- und Reaktivmaßnahme, also Maßnahmen die unmittelbar bzw. erst bei Eintritt eines Ereignisses umgesetzt werden.



Hochwertige Unternehmensberatung?

Erlernst und übst Du gemeinsam mit mir im Consulting Methodentraining!

Consulting Methodentraining


Beispiele

Szenario-Projekt zur Versorgung von Menschen mit Demenz

2011 entwickelte Ines Buscher vom Fraunhofer Institut DZNE mehrere Szenarien zur Versorgung von Menschen mit Demenz. Zeithorizont war 2030. Die Ergebnisse im nachfolgenden SlideShare-Foliensatz.


Vor- & Nachteile

Pro

  • Analog dem Business Motivation Model und dem Etviller Modell gibt Dir die Szenarientechnik einen klaren Satz definierter Konzepte bzgl. Zukunft und Prognosen an die Hand. Das vereinfacht das Denken, Planen und die Kommunikation.
  • Die Szenarientechnik konkretisiert Chancen und Risiken und unterstützt die taktische und strategische Planung. Zwar lässt sich mittels der Methode die Zukunft nicht vorhersagen, aber besser einschätzen.
  • Analog der SWOT Analyse, dem PESTEL Framework oder der Risikoanalyse ist die Szenarientechnik zeitlich und thematisch vielfältig und flexibel einsetzbar.
  • Die Methode zwingt zur Auseinandersetzung mit Einflussfaktoren, StörereignissenAnnahmen sowie ihre Wechselwirkungen. Die generierten Informationen sind wertvoller Input für die Risikoanalyse.

Contra

  • Je umfassender der Sachverhalt und je genauer die Prognose, desto mehr Zeit und Aufwand erfordert die Szenarientechnik. Falls nicht bereits vorhanden und per Desk Research beziehbar, musst Du erforderliche Informationen zunächst in Workshops, Interviews und Befragungen mit internen und externen Experten beschaffen.
  • Eine Anwendung der Technik benötigt ein hohes Maß an Fachwissen über Einflussfaktoren, Ausprägungen, Wahrscheinlichkeiten und Trends. Gerade bei vielschichtigen Themen mit zahlreichen Wechselwirkungen und einer hohen Dynamik stößt auch große Domänenkompetenz an ihre Grenzen.
  • Je weitreichender der Ziel-Stand eines Szenariums in der Zukunft liegt, desto unsicherer und ungewisser die Informationslage. Die Beschreibungsschärfe sinkt und die Aussagekraft der Prognosetechnik schwindet.

Praxistipps

Tipp 1 – Ist-Stand detailliert analysieren

Solange der Status Quo im Nebel liegt, gleicht die Prognose der Zukunft und des Entwicklungspfades dem Lesen im Kaffeesatz. Daher: Betrachte den Ist-Stand des Sacherhalts, die aktuellen Einflussfaktoren, ihr Zusammenwirken sowie das Umfeld und die Randbedingungen. Besteht Klarheit, wendest Du Blick in Richtung Zukunft.

Tipp 2 – Detailgrad schrittweise verfeinern

Gehe bei der Wahl des Detailgrad der Szenarientechnik iterativ vor. Starte mit wenigen relevanten Einflussfaktoren und Ausprägungen und entwickle daraus drei bis maximal fünf Szenarien. Sollen die Aussagen Deines ersten Prognoseergebnisses genauer sein, legst Du Deine Analysen in der nächsten Stufe tiefer.

Tipp 3 – Mit weiteren Methoden verbinden

Kreativmethoden wie Brainstorming oder SIT helfen Dir, Einflussfaktoren zu identifizieren. Ein Trendradar strukturiert und visualisiert Entwicklungen. Mittels SWOT Analyse charakterisierst Du ein Szenarium. Die Szenarientechnik schafft eine Faktengrundlage für viele weitere Consulting Methoden. Nutze die resultierenden Szenarien beispielweise für das Eltviller Modells, die Risikoanalyse.

Zudem helfen Dir quantitative Verfahren (Trendextrapolationen, Regressionsanalyse, ökonometrische Modelle, Konsistenzansatz) und qualitative Verfahren (Morphologische Analysen, historische Analogiebildung, Delphi-Technik, Technologiefolgenabschätzung) bei der Bildung von Projektionen und Szenarien.

Tipp 4 – Projektionen bei einfachen Fällen weglassen

Erarbeitest Du einfache Szenarien für einen kurzen Zeitraum unter einem Jahr, kannst Du auf das Konzept der Projektion verzichten. Fasse die Einflussfaktoren mit ihren Ausprägungen direkt zu Szenarien zusammen. Das beschleunigt die Konzeption und vereinfacht die Diskussionen.

Tipp 5 – No-Regret Entscheidungen herausarbeiten

Arbeite die vorliegende Szenarien sogenannte No-Regret-Entscheidungen heraus. Dabei handelt es sich um Beschlüsse, deren Auswirkungen sich in den meisten Szenarien als sinnvoll erweisen und die damit nicht zu bedauern sind.

Oft ist es beispielsweise in einem dynamischen und unsicheren Umfeld vorteilhaft sich mit gezielten Entscheidungen mehrere Optionen offenzuhalten und durch den geschaffenen Spielraum Risiken abzusenken.

Lesetipp

In ihrem 1967 verfassten Buch The Year 2000: A Framework for Speculation on the Next Thirty-Three Years führen Herman Kahn und Anthony J. Wiener die Szenarientechnik als strategisches Planungswerkzeug für Unternehmen umfassend ein.


Ursprung

Erste Ansätze der Szenarientechnik nach heutigem Verständnis gehen auf das Militär zurück. Im Zuge der Vorbereitung einer Schlacht stellten die Feldherren strategische Planungsüberlegungen an. Im Kampfgeschehen erlaubten die antizipierten Schlachtentwicklungen dann der Heeresführung vorbereitet zu reagieren und eingeübte Maßnahmen effizient einzuleiten. Während der 1950er vertieften US-Amerikaner das die Technik in militärstrategischen Studien.

Erst in den 1970er Jahren nahm die Bedeutung der Szenarientechnik als Analyse- und Prognoseinstrument für die Wirtschaft zu. Nach und nach begannen Unternehmen wie Versicherungen und Investmentbanken die Szenarienanalyse in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen. Bei strategische Investitionen betrachteten die Firmen zunehmend mehrere Szenarien, statt sich auf eine einzige deterministische Prognose festzulegen.


Bonusmaterial

Excel Bodhi: Excel Szenarioanalysen mithilfe von Datentabellen (7 min) – mit Microsoft Excel Szenarien entwickeln und visualisieren

LC Consulting GmbH: E-Learning mit ELC: Strategisches Management – Szenariotrichter (3 min) – das Konzept erklärt

  • Wegweiser Bürgergesellschaft: Szenariotechnik – umfassender Artikel zur Anwendung der Technik für gesellschaftliche Entwicklungen

Sofort mit professionellen Templates starten?

Nutze die Consulting Methodenvorlagen XXL mit über 440 Office Vorlagen für Deinen Projekterfolg!





Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert