Das Stage-Gate® Modell – Produktentwicklung strukturieren
Als Projektleiter, Innovationsmanager oder Produktverantwortlicher bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Welches Prozessmodell unterstützt uns bei der Entwicklung eines neuen Wertangebots?
- Wie können wir die Kosten von Forschungs- & Innovationsprojekten unter Kontrolle behalten?
- Wodurch können wir die Zusammenarbeit zwischen Entwicklungsteam und Management stärken?
Unterstützung findest Du im Stage-Gate® Modell und dem Verfahren der phasenweisen Entwicklung.
Ergebnis: Entwicklungsprozess für neues Wertangebot konzipiert
Teilnehmer: mind. 2 (Entwicklungsteam und Entscheider)
Dauer: ab 120min (je Wertangebot, Stakeholder und aktuelles Vorgehen)
Utensilien: Notebook und Office Software
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Zweck
Mit dem Stage-Gate® Modell strukturierst Du die Entwicklung eines neuen Wertangebots. Der Ansatz gliedert Dein Innovationsvorhaben in mehrere einzelne Arbeitsabschnitte – engl. Stages – und Entscheidungspunkte – engl. Gates – auf.
An jedem Gate entscheidet ein meist hierarchisch höher angesiedeltes Gremium auf Basis zuvor vereinbarter Kriterien, ob das Entwicklungsprojekt in die nächste Stage übergeleitet oder abgebrochen wird.
Dieses vordefinierte gestufte Vorgehen…
- ermöglicht die schrittweise Produkt & Service-Entwicklung mit festen Ausstiegspunkten,
- gibt Entwicklern und Managern Klarheit über Vorgehen, Ergebnisse und Entscheidungskriterien und
- erlaubt das einheitliche und nachvollziehbare Verwalten des Entwicklungsprojektportfolios.
Das Stage-Gate® Modell bildet ein Rahmen bei der Allokation von Ressourcen in einem bereichsübergreifenden Entwicklungsprojekt. Nutze den Ansatz zudem im Projektportfoliomanagement und entscheide strukturiert, welche Vorhaben fortgesetzt und bei welchen endgültig der Stecker gezogen wird.
Stage-Gate® schafft ab Projektbeginn ein gemeinsames Verständnis und erlaubt die Zahl von Innovationsvorhaben schmal und überschaubar zu halten. Das Konzept lässt sich sowohl klassisch in einem wasserfallartigen Vorgehen als auch in einem agilen Projektumfeld anwenden.
Synonyme für das Stage-Gate® Modell sind Stage-Gate® Prozess, Stage-Gate® Approach, Stage-Gate® Methode, Phase-Gate Prozess bzw. eine Schreibweise ohne Bindestrichen.
Aufbau
Stage-Gate® Modell – „Wie gehen wir im Projekt vor?“
Gemäß seinem Namen besitzt das Stage-Gate® Modell zwei Kernelemente: Stages und Gates.
Stage (dt. Abschnitt) – „Wann finden im Projekt Bearbeitungsphasen statt?“
Während einer Stage treibt das Projektteam die Entwicklung des Produktes bzw. Dienstes voran. Dabei sind die enthaltenen Aktivitäten sortenunrein. Das heißt: Das Team aus Teilnehmern verschiedener Funktionsbereiche wie Forschung, Produktion, Entwicklung, Marketing bearbeitet parallel einen Mix unterschiedlicher notwendiger Entwicklungsaufgaben.
Steht in den frühen Stages die technische und betriebswirtschaftliche Güte im Vordergrund, geht es im späteren Verlauf des Stage-Gate® Modells um Serienreife und anschließender Markteinführung. Die Anzahl und Ausgestaltung der Stages variiert in Abhängigkeit von den Bedürfnissen des Unternehmens, seiner Branche und dem Produkt.
Gate (dt. Tor) – „An welchen Meilensteinen entscheidet ein Gremium über den Projektfortschritt?“
Zwischen den Stages sind Gates positioniert. Diese fungieren als Meilensteine. An einem Gate entscheidet ein funktionsübergreifendes (möglichst projektunabhängiges) Gremium (z.B. Steuerkreis, Unternehmensführung, Top Management) auf Basis von…
- vereinbarten Projektergebnissen inklusive Qualität für die zurückliegende Stage
- Business Case, Risikoanalyse und Projektsteckbrief für die bevorstehende Stage
- Umfeldbedingungen, Branchensituation und Marktlage
objektiv über die Erfolgsaussichten, Fortsetzung und weitere Investition des laufenden Entwicklungsprojektes. Grundlage ist ein vereinbartes Gerüst aus quantitativen und qualitativen Kriterien verpackt in einen Fragenkatalog.
Drei Entscheidungsoptionen sind möglich.
- Weitermachen (engl. Go): Das Entwicklungsprojekt setzt mit der nächsten Stage fort.
- Abbruch (engl. Kill): Das Entwicklungsprojekt wird gestoppt.
- Wiederholen (engl. Hold): Das Entwicklungsprojekt verbleibt in der aktuellen Stage.
Das beschließende Gremium darf weitere Ergebnistypen für die nächste Stage fordern. Ein Gate nimmt eine normative und synthetisierende Filterfunktion war. Es wacht darüber, dass die Projekte richtig umgesetzt werden und nur die richtigen Projekte weiterkommen. Rigorose Gates – sogenannte ‚Tore mit Zähnen‘ – sorgen dafür ein schlankes Portfolio von Entwicklungsprojekten. Das Unternehmen beschränkt seine Aufmerksamkeit und Ressourcen nur auf wesentliche Vorhaben.
Anwendung
Das Stage-Gate® Modell definiert einen Entwicklungsprozess von Anfang bis Ende. Damit wendest Du es für ein Team, einen Bereich oder einen ganzen Unternehmensteil an.
1. Rollen, Stages und Gates definieren
Fixiert im ersten Schritt die Rollen, Stages und Gates für das Entwicklungsprojekt.
- Wer ist Teil des Entwicklungsteams? Wer sitzt im Entscheidungsgremium?
- Welche Aktivitäten und Ergebnisse enthält jede Stage?
- Worin bestehen die Entscheidungskriterien je Gate?
Stimmt den Aufbau des spezifischen Stage-Gate® Modell mit den Stakeholdern ab. Der gesteckte Rahmen ist verbindlich und dient allen im Innovationsprojekt als Richtschnur.
2. Entwicklungsprojekt umsetzen
Realisiert die Entwicklung des neuen Produktes oder Dienstes auf Basis des ausgeprägten Modells. Achtet auf funktionsbereichsübergreifende Zusammenarbeit, sowohl in den Stages als auch an den Gates.
3. Stage-Gate® Modell optimieren
Führt nach Abschluss das Entwicklungsprojektes eine Lessons Learned Sitzung durch.
- Welche Aktivitäten liefen reibungsfrei? Wo gibt es Optimierungsbedarf?
- Welche Kriterien an den Gates sollten in Folgeprojekte übernommen werden? Welche sind projektindividuell?
- Wie verlief die Zusammenarbeit während der Stages und an den Gates? Was kann verbessert werden?
Übernehme erfolgreiche Bausteine in eine Folgefassung des Modells.
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Beispiele
Gates und Stages in einem 6-Phasigen Entwicklungsprojekt
Gemäß Cooper und Edgett zerfällt ein klassisches Entwicklungsprojekt in vier bis sechs Stages. Nach jeder Stage steht ein Gate. Nachfolgend ein Vorschlag mit Vorschlägen für die methodische Ausgestaltung der Abschnitte:
- Stage 0: Entdeckung oder Ideenfindung – Nutzung von Techniken wie Customer Journey, SIT Methode oder SCAMPER Methode.
- Gate 1: Beurteilung von Produktideen
- Stage 1: Scoping – Eingrenzen des Angebots und Marktes mit Methoden wie Five Forces Modell, Value Proposition Canvas oder System Footprint
- Gate 2: Zweite Beurteilung
- Stage 2: Entwicklung des Business Cases und Plans – Zusammenstellung der Wirtsschaftlichkeitsbetrachtung und einer Roadmap sowie Projektplänen
- Gate 3: Entscheidung über Umsetzung
- Stage 3: Umsetzung – Realisierung des Angebots mit Hilfe der Roadmap, SMARTen Zwischenzielen und Kanban Boards
- Gate 4: Entscheidung über Testphase
- Stage 4: Testing und Validierung – Probe der Machbarkeit, Attraktivität und Wirtschaftlichkeit durch Testkarten und einem Minimum Viable Product
- Gate 5: Entscheidung über Produktion
- Stage 5: Markteinführung – Veröffentlichung des Wertangebots begleitet durch Marketing, Training von Vertrieb und Kundenbetreuung sowie eine Lessons Learned.
Stage-Gate® Modell in der Softwareentwicklung
Das Prinzip von Stages und Gates lässt sich auch für Änderungsprojekte im Allgemeinen heranziehen. In meiner Business-IT-Beraterlaufbahn habe ich das Modell mehrfach in abgewandelter Form in Softwareprojekten genutzt.
- Architektur-Gate – Am Ende der Design Phase unterziehen Enterprise & Software Architekten dem IT-System einen Architekturcheck. Erst wenn dieser bestanden ist, starten die Entwickler mit der Implementierung.
- Datenfreigabe-Gate – Während der Entwicklungsphase prüft eine Data Governance Stelle zusammen mit dem Fachbereich die Kritikalität und Schutz der Daten. Nach einer Freigabe darf das System in den produktiven Betrieb.
- Rollout-Gate – Nach Abschluss der Testphase obliegt es dem Fachbereich auf Basis eines Kriterienkatalogs zu entscheiden, ob das System in Produktion übernommen wird oder zunächst Fehler korrigiert werden müssen.
Vor- & Nachteile
Pro
- Das stufenweise Vorgehen beim Stage-Gate® Modell erlaubt einem Unternehmen seine limitierten Entwicklungs- & Innovationsressourcen effektiv und effizient zu verteilen und fokussiert zu entwickeln.
- Bewusst geht das Stage-Gate® Modell von bereichsübergreifenden Stages und Gates aus. Die Umsetzung und Entscheidung wird von verschiedenen Akteuren arbeitsteilig vorangetrieben.
- Das Stage-Gate® Modell teilt Kompetenzen auf. Stages liegen in der Hoheit des Entwicklungsteams, allen voran den Projektleitern. Wiederum fungieren die Gates als ‚Einfallstor‘ für den Entscheiderkreis, der sich nun mit dem Projekt beschäftigen muss. Interessenskonflikte werden reduziert.
- Durch die konkreten Kriterien und formalen Fragen an den Gates lässt sich das Modell direkt mit der Unternehmensstrategie verknüpfen. Strategische Ziele werden somit operationalisiert.
- Schließlich schafft der Ansatz hohe Transparenz, wertvoll insbesondere bei zahlreichen parallel laufenden Vorhaben. Der Entwicklungsstand von Projekten lässt sich anhand gemeinsamer Kriterien gegenüberstellen.
Contra
- Damit das Stage-Gate® Modell reibungsfrei genutzt werden kann müssen im Vorfeld die Aufgaben und Ergebnisse in den Stages sowie die Abnahmekriterien an den Gates genau definiert werden. Das Risiko besteht, dass diese Vorarbeiten zum Selbstzweck werden und bürokratisch ausarten.
- Manche Ergebnisse aus Entwicklungsprojekten zeitigen erst mittel- bis langfristig Erfolge. Beim auf Hier und Jetzt ausgerichtete Stage-Gate® Verfahren besteht die Gefahr solche Langläufer frühzeitig auszusortieren.
- Andersherum lässt das Modell solche Projekte gewähren, die sich erst in späteren Entwicklungsphasen bzw. am (geänderten) Markt als teurer Flopp erweisen.
- In seiner Grundform ist der Ablauf des Stage-Gate® Modells hoch linear. Abkürzungen, Rücksprünge und Parallelstränge sind nicht erlaubt.
- Bei agilen Projektmanagementansätzen verliert das Stage-Gate® Modell an Relevanz. Scrum und Co. prüfen in festen Intervallen die bisher gelieferten Ergebnisse und entscheiden dann über das weitere Vorgehen. Auch existiert eine klare Rollenteilung zwischen Entwicklungsteam und Produktverantwortlicher.
- Die Entscheidungsoption ‚Abbruch‘ fällt in der Praxis schwer. Ein erfolgloses Projekt an einem späten Gate doch noch zu kippen, erfordert eine entschlossene Entscheidungskultur. Oft sträuben sich Projektleiter die Reißleine zu ziehen, da ein Stopp für den gehegten Langläufer mit einem Gesichtsverlust einhergeht.
Praxistipps
Tipp 1 – Wirksame Gate-Kriterien wählen
Wähle die Kriterien für ein Gate mit Bedacht. Coopers und Edgett schlagen drei Eigenschaften vor:
- Effektiv – das Gate-Kriterium ist im operativen Alltag einfach anzuwenden
- Realistisch – das Gate-Kriterium nutzt die verfügbare Projektinformation
- Unterscheidend – das Gate-Kriterium separiert gute von mittleren Projekten
Definiere und kommuniziere die Kriterien im Vorfeld und vermeide damit langwierige Diskussionen während der Projektdurchführung.
Tipp 2 – Gate-Kriterien kategorisieren
Verpasse den Kriterien an einem Gate eine Kategorie und erleichtere damit ihren Einsatz. Unterscheide zwischen:
- Muss-Kriterium – Ja/Nein Knock-out-Frage, die, falls negativ beantwortet, das Projekt zum Stoppen bringt.
- Soll-Kriterium – Bewertungsfrage, die eine wünschenswerte Projekteigenschaften auf einer diskreten Skala erfasst.
Typische Muss-Kriterien sind zum Beispiel Technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit oder Compliance.
Die Soll-Kriterien kannst Du zusätzlich in Unterkategorien wie Strategie (z.B. strategische Relevanz, Kongruenz zur Strategie), Synergie (z.B. Marketing, Produktion) und Nachfrage (z.B. Marktgröße, Wettbewerbssituation) einteilen.
Tipp 3 – Stage-Gates bedarfsorientiert flexibilisieren
Über die Zeit haben Coopers und Edgett ihr rigides Stage-Gate®-Modell flexibilisiert. So dürfen ausgewählte Weiter-Stopp-Entscheidungen auch in das Projektteam verlagert werden. Sogenannte ‚Fuzzy Gates‚ (dt. unscharfe Tore) erlauben zudem das Vorziehen von Arbeitspaketen ohne Gate-Validierung.
Doch Achtung: Mit jedem zusätzlichen Freiheitsgrad schmälerst Du die Leistungsfähigkeit des Phasenmodells. Das stringente Vorgehen und die damit einhergehenden Vorteile werden verwässert.
Tipp 4 – Modell für Software agil umsetzen
Nicht zwangsläufig müssen die Phasen des Stage-Gate® Modells auf die Sequenz Idee > Planung > Umsetzung > Testen > Veröffentlichung hinauslaufen.
Auch eine agiler Ansatz mit einem marktfähigen Resultat am Ende einer jeden Stage ist möglich. Untergliedere beispielsweise das Modell in Konzept > Prototyp > Alpha > Beta > Kommerziell. Insbesondere rein digitale Produkte sind für dieses Vorgehen prädestiniert.
Tipp 5 – Entscheidungsbasis unabhängig legen lassen
In seinem Artikel Stopp! Das wird nichts mehr empfiehlt Ronald Klingebiel den Einsatz von unabhängigen Business Case Detektiven. Diese prüfen die Tauglichkeit des laufenden Vorhabens ohne dabei in Projektverantwortung zu stehen. Zusammengestellte Fakten dienen am Gate dann für eine objektive Entscheidung.
Lesetipp
Das aktuell jüngste Buch zum Stage-Gate®-Modell ist das von Robert G. Cooper 2017 verfasste Winning at New Products: Creating Value Through Innovation*. Auf knapp 450 Seiten findest Du zahlreiche Details. Das Werk gibt es auch als über 17-stündiges Hörbuch.
Ursprung
Das Stage-Gate® Modell wurde von Robert G. Cooper und Scot Edgett in den 1980er Jahren auf Grundlage bestehender Research & Development (R&D) Phasenmodelle konzipiert. Ziel der US-Amerikaner war es Innovations- und Entwicklungsprozesse effizienter zu machen und das Risiko von Fehlinvestitionen zu senken.
Heute ist der Begriff Stage-Gate® eine geschützte Handelsmarke von Coopers und Edgetts Unternehmen Stage-Gate Inc. Über die Jahre hat ihr Modell mehrere Aktualisierungen erfahren. Diese Weiterentwicklungen richteten sich insbesondere an Unternehmen, die bereits über eine fundierte Praxiserfahrung mit dem Entwicklungsansatz verfügen.
Bonusmaterial
Martin G. Möhrle/Universität Bremen: Stage-Gate im Detail (26 min) – ausführliche Vorstellung des Stage Gate Modells durch einen Professor für Innovation
- Andrea Badura/Hochschule Landshut: Stage-Gate-Prozess – ausführlicher Beitrag zum Ansatz samt nützlicher Abbildungen
- Wikipedia: Phase-gate process – englischsprachige Beschreibung der möglichen Ausgestaltung von Gates und Stages
- Ronald Klingebiel/Harvard Business Manager 02/2022: Stopp! Das wird nichts mehr – Projektabbruch mit dem Stage-Gate® Modell am Beispiel Sony Ericsson
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