Das Minimum Viable Product – neue Angebote rasch verproben
Als Produktverantwortlicher, Service-Eigentümer oder Unternehmer bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Wie können wir für eine Produktidee einfach und schnell Rückmeldungen vom Markt einholen?
- Wodurch können wir das Risiko einer Fehlinvestition für eine neue Dienstleistung senken?
- Auf welche Weise entwickeln wir Wertangebote nah an den Anforderungen der Kunden?
Unterstützung findest Du im Minimum Viable Product und dem dreistufigen Vorgehen Bauen – Messen – Lernen.
Ergebnis: neues Produkt- bzw. Serviceangebot ist am Markt schnell und kostengünstig verprobt
Teilnehmer: mind. 1 (besser: im Team)
Dauer: ab 60 Minuten für Konzeption ab 60 Minuten für Testing
Utensilien: Zettel & Stift, Notebook & Office Software sowie erforderliche Produktelemente
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Zweck
Nutze ein Minimum Viable Product, um die Markttauglichkeit eines neuen Wertangebots zu testen sowie früh im Entwicklungsprozess von den Kunden zu lernen.
Das Minimum Viable Product ein Basisprodukt bzw. -dienstleistung ausgestattet mit den nötigsten Funktionen und Eigenschaften. Es basiert auf der Grundannahme, dass ausschließlich der Kunde (bzw. Entscheider, Nutzer, Anwender) über Erfolg und Misserfolg eines Angebots entscheidet.
Dein Hauptziel ist es, die Passung zwischen Wertangebot (die Value Proposition) und Zielgruppe (das Customer Segment) eines Geschäftsmodells zu bestätigten. Dazu stellst Du mit dem Konzept zwei Fragen:
- Ist das Minimalprodukt bzw. -Service für die Kundschaft interessant (eng. Desirability)?
- Ist es am Markt überlebensfähig (eng. Viability)?
In kurzer Zeit, mit überschaubaren Aufwand sowie zu geringen Kosten möchtest Du strukturiert in Erfahrung bringen, was Kunden von einem neuen Produkt bzw. Dienstleistung halten. Das Erlösmodell – daher der Preis – kannst, musst Du jedoch nicht in Dein Minimum Viable Product einbeziehen.
Synonyme für das Minimum Viable Product sind das Akronym MVP sowie die eingedeutschten Fassungen Minimal überlebensfähiges Produkt, Produkt mit minimalen Eigenschaften sowie kleinstmögliches durchführbares Produkt.
Nimmst Du es ganz genau, dann müsste der Begriff ‚MVO‘ für Minimum Viable Offering lauten. Das hört sich jedoch weniger cool an und lässt sich zudem schwerer merken.
Aufbau
Minimum Viable Product – „Was muss ein gutes MVP erfüllen?“
Ein gutes Minimum Viable Product erfüllt sechs Grundanforderungen:
- Minimal – Gemäß dem Pareto Prinzip reduziert sich ein MVP auf die wesentlichsten nutzbringenden Funktionen und Eigenschaften Deines neuen Angebotes.
- Überlegen – Gegenüber dem Wettbewerb bietet Dein MVP mindestens einen entscheidenden Vorteil. Das können der Preis, die Qualität, die Einfachheit in der Bedienung etc. sein.
- Fokussiert – Das Produkt richtet sich an eine ausgewählte Zielgruppe die offen für das neue Angebot ist. Häufig befindet sich die Gruppe in einer Marktnische.
- Überlebensfähig – Das Produkt stiftet ausreichend Mehrwert, dass die Kunden bereit sind es zu nutzen oder gar dafür zu bezahlen.
- Vielversprechend – Das MVP legt ein so hohes Potential an den Tag, dass die frühen Kunden es auch zukünftig weiter in Anspruch nehmen wollen.
- Erweiterbar – Das minimale Wertangebot lässt sich in Entwicklungsschleifen Schritt für Schritt weiterentwickeln.
Ein MVP muss wenig mit dem finalen Wertangebot zu tun haben. Vielmehr geht es um die Erfüllung des Nutzenversprechens. Skateboard und Luxusauto – beide transportieren den Fahrer von A nach B. Doch bis auf das Prinzip der Räder haben beide Produkte nicht viel miteinander gemein.
Anwendung
Ein Minimum Viable Product solltest Du schnell herausbringen und mit ihm systematisch testen, ob ein Wertangebot am Markt Resonanz erfährt oder es sich nur um eine fixe Idee handelt. Dein Motto: Groß denken, klein handeln.
Entwickle das MVP entlang der drei Phasen: Bauen – Messen – Lernen (engl. Build – Measure – Learn). Halte zunächst die Kernannahmen fest, die Du mit MVP bestätigen oder widerlegen möchtest. Nützlich hierfür ist das Konzept der Testkarten.
1. MVP bauen
Identifiziere, entwickle und veröffentliche die kleinste Form eines Produktes bzw. Services, dass den Zielkunden dennoch einen Mehrwert stiftet. Fokussiere Dich auf die kritischen Annahmen – der Haupthypothese – hinter dem Wertangebot.
2. Markterfolg messen
Finde mittels qualitativen und quantitativen Messungen, Interviews und Beobachtungen heraus, ob Dein MVP die Zielkunden zufriedenstellt bzw. sogar begeistert. Nützlich sind hier die Testkarten.
3. Vom Feedback lernen
Nutze das strukturiert erfasste Feedback, um Deine Hypothesen zu prüfen und das MVP entsprechend weiterzuentwickeln. Dazu kannst Du seine Funktionalitäten erweitern, die Zielgruppe vergrößern oder Qualitätseigenschaften optimieren – immer entlang neuer Hypothesen. Schrittweise iterierst Du Dich zum perfekten Produkt.
Bette das Vorgehen in einen Design Sprint ein, in dem Du im Team innerhalb von vier Tagen systematisch eine Lösungsidee verprobst.
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Beispiele
Minimum Viable Product für Bücher
Auch für ein Buch kannst Du ein Minimum Viable Product auflegen. Für meine beiden Ratgeber Consulting Methodenkoffer* sowie Consulting Akquise Toolbox* habe ich jeweils ein MVP lanciert. Im folgenden die Eigenschaften:
- Minimal: Die Erstfassungen der Ratgeber besaßen mit 20 Methoden fast einen Büchlein-Charakter. Dafür waren beide Werke innerhalb von 2 Wochen verfasst.
- Überlegen: Am Buchmarkt gab es zum Zeitpunkt des Schreibens zwar Ratgeber zu Tools & Techniken im Consulting, diese waren jedoch sehr umfassend, theoretisch und teuer. Zudem fehlte eine eBook Fassung.
- Fokussiert: Beide Titel richten sich ausschließlich an deutschsprachige Unternehmensberater, eine verhältnismäßige kleine Zielgruppe (insbesondere im Gegensatz zu Bücher über Fitness, Ernährung, Finanzen etc.).
- Überlebensfähig: Recht bald nach der Veröffentlichung zeigten mir die Verkaufszahlen, dass Kunden bereit sind Zeit und Geld in beide Themen zu investieren.
- Vielversprechend: Beide Bücher nutzt ein Berater selektiv. Hat er ein Problem, eine Frage oder einen Bedarf, sucht er im Buch nach einer Lösung. Eine wiederkehrende Lektüre ist sehr wahrscheinlich.
- Erweiterbar: Die Ratgeber sind modular aufgebaut. So habe ich über die Zeit weitere Methoden ergänzt bzw. die Techniken in den digitalen Consulting Methodenkoffer überführt.
Minimum Viable Product für Online Angebote
Beliebte MVPs in der Online Welt sind Erklärvideos, Landing Pages und Softwareprototypen. Mittels diesen werden Interessenten das Produkt bzw. der Service gezeigt sowie anschließend E-Mailadressen, Kommentare bzw. Vorbestellungen eingesammelt.
Vor- & Nachteile
Pro
- Ein MVP hilft, das nebulöse Unwissen über die Marktakzeptanz eines Angebotes durch konkrete Zahlen und echte Kundenmeinungen zu ersetzen.
- Es beschleunigt den Lernprozess bzgl. neuer Angebote. Bei überschaubaren Investitionen platzierst Du frühstmöglich ein Produkt oder eine Dienstleistung.
- Das MVP minimiert die Risiken am Kunden vorbei zu entwickeln und zu spät am Markt herauszukommen.
- Es schützt vor überdimensionalen Entwicklungsprojekten und jahrelanges Dahinwerkeln im stillen Kämmerlein.
- Das Konzept weist Deine Herstellungs-, Erbringungs- bzw. Umsetzungskompetenzen nach und signalisiert gleichzeitig Deine offene und konstruktive Herangehensweise.
Contra
- Ein MVP ist kein Allheilmittel. Speziell in Situationen in denen die Kunden auf ausgereifte und funktionell vollständige Angebote angewiesen sind, ist ein MVP ungeeignet.
- Die richtigen Hypothesen finden, die Produktion im kleinen Maßstab sicherstellen, hilfsbereite und ehrliche Kunden finden, den geeigneten Zeitpunkt abpassen – das alles macht die Umsetzung eines MVPs sehr herausfordernd.
- Insbesondere die Interaktion mit den Kunden kann sich anspruchsvoll gestalten, da Kunden an das unfertige Angebot herangeführt werden müssen und dieses auch kritisieren.
- Die Konzeption und der Test eines MVPs verursacht Aufwand und Kosten. Auch lenken das Bauen, Messen und Lernen von der Entwicklung eines Gesamtangebots bzw. der Konzentration auf bestehende Kernangebote ab.
- Ein MVP kann in eine falsche Entwicklungsrichtung deuten, falls die ersten frühen Versionen durch die Kunden abgelehnt werden (Stichwort: False Negative).
Praxistipps
Tipp 1 – MVP ab Start offen kommunizieren
Kommuniziere das MVP offen an die Kunden und manage damit die Erwartungen an das Produkt bzw. die Dienstleistung. Veröffentliche das Testangebot unter einem anderen Firmen- oder Markennamen, falls Du befürchtest das unreife Produkt wirkt sich negativ auf die Unternehmensmarke oder -reputation aus.
Tipp 2 – Klar zum Minimum Marketable Product unterscheiden
Mit Hilfe eines Minimum Viable Product möchtest Du lernen, über…
- das Wertangebot,
- die Zielgruppe sowie
- dem Nutzungsverhalten.
Kommerzielle Interessen werden ganz ausgeblendet bzw. stehen an zweiter Stelle. Damit kannst Du das MVP auch für unternehmensinterne Produkte und Services, also Angebote für welche die Mitarbeiter mit Zeit und Aufmerksamkeit bezahlen, heranziehen.
Hingegen möchtest Du ein Minimum Marketable Product (MMP) verkaufen, nämlich an eine kleine aber feine Zielgruppe mit einem ganz bestimmten Bedarf bzw. Problem. Im Gegensatz zum MVP besitzt ein MMP bereits ein Geschäftsmodell. Auf Basis von diesem stellst Du das Wertangebot her, vertreibst dieses und entwickelst es weiter. Neben der Überlebensfähigkeit geht es Dir beim MMP gleichsam um den Nachweis der Machbarkeit (engl. Feasibility) und Profitabilität (engl. Profitability).
Tipp 3 – Wertschöpfung außen vor lassen
Bei einem MVP blendest Du Kernprozesse & -ressourcen, das Partnernetzwerk sowie die Kosten eines Business Models aus. Diese testest Du im Rahmen anderer Versuche.
Die Konsequenz: Viele Vorgänge, die später vollautomatisch ablaufen, erledigst Du zunächst manuell. Auch die für das MVP notwendigen Mittel solltest Du im ersten Schritt nur anmieten und bei Erfolg die Investitionen vergrößern.
Tipp 4 – Geschwindigkeit den Vorzug geben
Geschwindigkeit ist bei einem MVP ein wesentlicher Faktor. Reduziere die Beteiligten, zentralisiere die Entscheidung und starte mit dem Produkt beim minimal Notwendigen.
Tipp 5 – Nur für eine ‚Dreamy Idea‘ ein MVP bauen
Beim Tech-Riesen Amazon dürfen nur träumerische Geschäftsideen – sogenannte ‚Dreamy Ideas‘ getestet werden. Das sind Ideen, welche…
- die Kunden lieben werden,
- sich zu großen Unternehmen mit hohen Erträgen entwickeln können und
- die eine realistische Chance haben langfristig zu bestehen.
Lesetipp
„Maximize the learning per Dollar spent“ – das Maximieren der Lernerkenntnisse pro eingesetztem Dollar – ist laut Eric Ries die zentrale Aufgabe eines Minimum Viable Products.
Ich empfehle das Buch des Unternehmers und Autors The Lean Startup*. Neben dem MVP Konzept erfährst Du von weiteren nützlichen Ansätzen Produkte und Dienstleistungen iterativ aufzubauen, zu verproben und zu skalieren.
Ursprung
Frank Robinon prägte den Begriff Minimum Viable Product im Jahr 2001. Populär gemacht haben das Konzept dann Steve Blank und insbesondere sein Mentee Eric Ries mit dem Buch The Lean Startup*.
In der Startup-Szene gehört das Konzept seit Jahren zum festen Bestandteil der Angebotsentwicklung.
Bonusmaterial
The CRM Team: Making sense of Minimum Viable Product (11 min) – das MVP Konzept erklärt an einer populären Abbildung von Henrik Kniberg
Development that Pays: Awesome Minimum Viable Products (5 min) – drei US-amerikanische Beispiele für ein Minimum Viable Product
„A minimum viable product is a version of a new product that allows a team to collect the most learnings about customers with the least effort.“
– Steve Blank, Unternehmer, Dozent und Autor
„If you are not embarrassed by the first version of your product, you’ve launched too late.“
– Reid Hoffman, Gründer des sozialen Netzwerks LinkedIn
Letzte Aktualisierung am 2024-11-23 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API
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