Das Lean Coffee – den lockeren Wissensaustausch fördern
Als Projektleiter, Manager oder Wissensarbeiter bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Welches Meeting-Format fördert die Diskussion von Herzensthemen und neuen Themen?
- Wie können wir den gegenseitigen Wissensaustausch zu Fachthemen im Unternehmen stärken?
- Wodurch können wir eine Sitzung zugleich strukturiert als auch themenoffen gestalten?
Unterstützung findest Du im Lean Coffee und der Agenda-offenen Umsetzung von Meetings.
Ergebnis: Austausch von Infos, Generierung von Ideen und Stärkung des Zusammenhalts
Teilnehmer: 3 bis 12 Personen
Dauer: 45 bis 120 Minuten (je Zahl der Teilnehmer und Themen)
Utensilien: Whiteboard/Flipchart/Metaplan-Wand, Moderationskarten, Stifte, Klebepunkte, Stoppuhr & (falls möglich inspirierenden) Sitzungsraum oder Notebook & Whiteboard Software
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Zweck
Mit einem Lean Coffee förderst Du den Wissensaustausch zwischen Personen. Anders als eine übliche Sitzung verzichtet das Besprechungsformat auf die Teilnahmeverpflichtung sowie der a priori Festsetzung einer Agenda.
Stattdessen ist zu einem Lean Coffee jeder eingeladen, der Wissen und Rat benötigt, bzw. werden die Besprechungsthemen erst zum Terminbeginn ausgehandelt. Um der Zusammenkunft dennoch eine Struktur zu geben und möglichst viele Dinge zu diskutieren, begrenzt das Format die Sprechzeit für ein Teilthema auf insgesamt maximal 20 Minuten und visualisiert fortwährend den Status der Diskussionspunkte.
Synonyme Bezeichnungen für das Agenda-lose Format Lean Coffee sind LeanCoffee, Lean Coffee Meeting, Lean Coffee Sitzung oder andere Begriffskombinationen mit Lean Coffee.
Aufbau
Diskussionsthema – „Welches Lean Coffee Thema ist für uns relevant?
Veranstalte ein Lean Coffee immer unter einem Leitthema. Das kann eine Frage, eine Hypothese oder eine Idee sein. In der Regel gehört das Diskussionsthema nicht zum Alltagsgeschäft, ist jedoch für Unternehmen, Abteilung, Projekt, Kunde etc. (perspektivisch) von Interesse.
Sorge dafür, dass das Leitthema währen der gesamten Besprechung für alle Teilnehmer gut sichtbar ist.
Ergebnistypen – „Was bleibt nach einem Lean Coffee?“
Zentrales Arbeitsinstrument des Lean Coffee Termins ist ein Kanban Board, manchmal auch Discussion Board oder Diskussionstafel genannt. Die auf einem (virtuellen) Flipchart, einem Whiteboard oder einer Metaplan-Wand aufgetragene dreispaltige Tabelle unterscheidet zwischen…
- zu diskutierenden Teilthemen in der linken Spalte ‚Zu besprechen‘ (engl. ‚to discuss‘),
- in Diskussion befindlichen Teilthemen in der mittleren Spalte ‚Wird gerade besprochen‘ (engl. ‚discussing‘) sowie
- zu Ende diskutierten Teilthemen in der rechten Spalte ‚Wurde besprochen‘ (engl. ‚discussed‘).
Jedes Teilthema notierst Du auf eine eigene Moderationskarten und ergänzt in Klammern den verantwortlichen Autor. Karten lassen sich verschieben, entfernen, stapeln und zwingen obendrein zur Prägnanz.
Während der Sitzung zeigt das Board den Teilnehmern den aktuellen Diskussionsstand an. Nach dem Termin dient es in Form eines Fotoprotokolls inklusive Veranstaltungsdatum und beteiligten Personen als Ergebnisträger.
Rollen – „Wer übernimmt im Lean Coffee welche Aufgaben?“
Wie ein klassisches Meeting unterscheidet auch das Lean Coffee zwischen den drei Rollen Organisator, Moderator und Teilnehmer.
- Organisator: Veranstaltet den Event. Dazu gehören die Ankündigung des Ereignisses, die Organisation des (virtuellen) Raumes, die Vorstellung der Methode und dem Leitthema sowie die Zusammenfassung der Ergebnisse.
- Moderator: Moderiert als Spielemacher die Arbeitssitzung, animiert die Teilnehmer zu Kreativität und sichert die Einhaltung der Regeln.
- Teilnehmer: Nimmt an einer Sitzung teil, bringt Diskussionspunkte ein und trägt mit Ideen, Fragen und Wissen zum Gelingen bei.
Regeln – „Welche Grundsätze gelten im Lean Coffee?“
Auch wenn es ‚lean‘ im Namen trägt, kommt ein Lean Coffee nicht ganz ohne Regeln aus.
- Die, die da sind, sind die Richtigen, da ihnen das Thema wichtig ist. Es gibt keine richtigen bzw. falschen Teilnehmer.
- Es passiert genau das, was passieren kann. Ungeplantes und Unerwartetes ist oft kreativ und nützlich.
- Ein Lean Coffee ist ein geschützter Raum. Alles was im Treffen besprochen wird, bleibt auch dort. Jeder kann und sollte frei sprechen.
- Das Meeting startet und endet pünktlich. Zuspätkommen, Unterbrechungen und frühzeitiges Aufbrechen sind nicht erwünscht.
Anwendung
Ein Meeting gemäß Lean Coffee benötigt 45 bis maximal 120 Minuten. Der freie Informations- und Erfahrungsaustausch lebt davon, dass die Teilnehmer ihre Themen mitbringen und Lust haben diese gemeinsam zu besprechen. Als Organisator fällt der Vorbereitungsaufwand für Dich gering aus.
1. Meeting organisieren
Plane mit Leitthema, Datum, Startzeit- und Endezeit sowie Sitzungsort des Lean Coffees. Nutze stark frequentierte Kommunikationskanäle und mache das Event in der Breite und Tiefe der Organisation bekannt.
Ermuntere die Teilnehmer, ihren Kaffee bzw. Tee zum Termin mitzubringen.
2. Teilthemen bestimmen
Gebe in den ersten 5-10 Minuten des Lean Coffee allen Beteiligten Gelegenheit ihre Fragen, Diskussionspunkte und Ideen zum Leitthema einzubringen. Lasse alle Teilthemen auf Karten notierten, kurz vom Autor vorstellen sowie in der Kanban Board Spalte ‚Zu besprechen‘ ablegen.
Konsolidiert verwandte bzw. doppelte Themen.
Anschließend darf jeder Teilnehmer drei Klebepunkte auf seine favorisierten Teilthemen verteilen. Kumulation und Auswahl der eigenen Themen sind erlaubt.
Sortiert die Themen absteigend entlang ihrer Bewertung.
3. Teilthemen diskutieren
Ziehe das Teilthema mit den meisten Punkten in die Kanban Spalte ‚Wird gerade besprochen‘. Der verantwortliche Autor erklärt nun kurz die Hintergründe und das gewünschte Ergebnis. Anschließend diskutiert Ihr das Thema in einem Fenster von 5 bis 10 Minuten.
Nach Verstreichen der Zeit stimmen die Teilnehmer und Du per Handmeldung in einer Mehrheitsentscheidung ab, ob das Teilthema weiter besprochen werden soll oder auf die Spalte ‚Wurde besprochen‘ gezogen werden kann.
Spätestens nach der zweiten Diskussionsrunde vertagt Ihr entweder das Teilthema oder Ihr setzt es auf erledigt.
Falls noch mindestens 10 Minuten Zeit verbleiben, widmet Ihr Euch dem nächsten Thema.
4. Meeting abschließen
Das Lean Coffee endet, falls Ihr alle Themen diskutieren konntet oder der gesetzte Zeitrahmen erreicht ist. In der Praxis werden innerhalb einer Sitzung oftmals nicht alle Themen erörtert. Es obliegt jedem Autor sein nicht besprochenes Thema beim nächsten Treffen nochmals zur Diskussion zu stellen.
Fasse die Ergebnisse zusammen und bedanke Dich für den Beitrag.
Sei überrascht und baue auf den Ideen anderer auf. Unter diesem Motto solltest Du Dein Lean Coffee organisieren bzw. an einer Veranstaltung in diesem Format teilnehmen. Hingegen treibst Du Lösungsentwicklung, Entscheidungsfindung und Statusinformationen mit anderen Meeting-Formaten voran.
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Beispiele
Lean Coffee im Consulting
Unternehmensberater sind Wissensarbeiter. Damit gibt es zahlreiche Anwendungsfälle für das Lean Coffee Format im Consulting. Einige Anregungen:
- Kreative Entwicklung eines neuen Beratungsangebots inklusive Roadmap
- Retrospektive eines zurückliegenden Kundenprojektes
- Q&A Sitzung für den Start in die Beraterlaufbahn
- Austausch von fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen im Rahmen eines Knowledge Days
Eingeladen ist, wer Zeit hat, Input zu einer konkreten Themenstellung benötigt oder den Kollegen seine Erfahrungen weitergeben möchte.
Vor- & Nachteile
Pro
- Eine freiwillige Teilnahme am Lean Coffee, die selbstorganisierte Erarbeitung der Agenda sowie die Konzentration auf Interessen fördern die Identifikation, das Engagement und die Kreativität der Teilnehmer.
- Für ein Lean Coffee ist nur wenig Vor- und Nachbereitungsaufwand erforderlich. Das Format lässt sich rasch erklären und ist einfach verständlich.
- Sitzungen nach dem Lean Coffee Prinzip sind kurzweilig und ergebnisoffen. Die Teilnehmer diskutieren auf Augenhöhe zu Punkten, die sie im Alltagsgeschäft wirklich bewegen.
- Lean Coffee fördert den direkten Transfer des in der Organisation verteiltem Wissens ohne organisatorische und hierarchische Barrieren. Bewusst wird der Blick über den eigenen Tellerrand gerichtet.
- Die Begrenzung der Diskussionszeit gepaart mit der Fokussierung auf ein Zentralthema maximieren den Wirkungsgrad des Sitzungsformats.
- Das in der Methode eingebaute Kanban Board gibt stets einen Überblick über offene und bereits diskutierte Themen. Der Blick aufs große Ganze bleibt so auch während der Bearbeitung der Einzelpunkte erhalten.
Contra
- In einer Woche voller Sitzungen hält sich speziell bei senioren und erfahrenen Teilnehmern die Bereitschaft für ein zusätzliches Meeting in Grenzen. Eine kollegiale Beratung findet statt, jedoch nur zwischen einer Teilmenge des Unternehmens.
- Der Organisator eines Lean Coffees hat keinerlei Kontrolle über die Meeting-Agenda. Auch fehlt ihm das Mandat, Folgeaufgaben unter den Teilnehmern zu verteilen.
- Das Format gibt keine Garantien, dass auch wirklich alle initial eingebrachten Diskussionspunkte abgehandelt werden. Blinde Themenflecke sind gleichermaßen möglich wie Enttäuschungen unter den Teilnehmern.
- Analog dem Barcamp macht die Sitzungsmethode keine Vorgaben zur Art und Weise der Mitschrift. Interessierte, die es nicht zum Termin schaffen, bleibt im Worst Case nur das Kanban mit den besprochenen Teilthemen.
- Für Gruppen über 12 Personen ist ein Lean Coffee ungeeignet. Nutze alternative Meeting-Format wie das Open Space, die Fishbowl Methode oder das Barcamp.
Praxistipps
Tipp 1 – Wichtiges & facettenreiches Thema wählen
Wähle ein Leitthema für Dein Lean Coffee, welches folgende Eigenschaften erfüllt:
- Dringlich – Das Thema brennt den Teilnehmern unter den Nägeln und hält sie buchstäblich nachts wach.
- Relevant – Das Thema ist für die Teilnehmer von zentraler Bedeutung.
- Breit – Das Thema spannt einen großen Raum für kreative Ideen auf und ist auch nach Stunden nicht tot diskutiert.
- Vielschichtig – Das Thema lässt sich von verschiedenen Perspektiven auf unterschiedlicher Detailebene betrachten.
Ebenfalls gut geeignet sind Themen, die im letzten Lean Coffee zu kurz gekommen sind.
Tipp 2 – Geteilte Infos vertraulich behandeln
Gerade bei vielen Teilnehmern mit zahlreichen kreativen Ideen ist es wichtig der Teilthemenvorstellung zum Start eines Lean Coffees eine Struktur zu geben. Limitiere die Pitching-Zeit auf 20, maximal 30 Sekunden. In dieser Zeit lädt ein Teilnehmer die Interessenten mit folgenden Worten ein:
- Mein Name ist …
- Ich habe das Teilthema …
- Das Teilthema ist wichtig, da …
- Als Ergebnis wünsche ich mir …
Anschließend heftet er sein Teilthema an das Kanban Board und die nächste Person ist an der Reihe.
Tipp 3 – Sitzungen in virtuellen Räumen durchführen
Ein Lean Coffee ist nicht auf real existierende Orte beschränkt. Wichtig sind eine gute Videokonferenz-Software, eine Telekonferenzvertrautheit der Teilnehmer sowie ein Tool-geübter Organisator und Moderator.
Achte auf eine digitale Arbeitsbasis, die von den Teilnehmern einfach und intuitiv parallel gelesen und editiert werden kann. Gute Erfahrungen habe ich mit MURAL gemacht.
Tipp 4 – Zum Barcamp oder Open Space hochstufen
Zu dem von Dir organisierten Lean Coffee treffen über 12 Teilnehmer ein? Großartig! Mit Deinem Themenvorschlag hast Du offenbar einen Nerv getroffen. Das Problem: Für Großgruppen ist das Sitzungsformat ungeeignet.
Mache aus der Situation eine Tugend und verwandle das Lean Coffee in ein Barcamp. Soll der Event monothematisch bleiben, rufst Du stattdessen ein Open Space aus.
Tipp 5 – Event in der Organisation bekannt machen
Was nützt ein Lean Coffee, von dem keiner weiß, dass es stattfindet. Veröffentliche und sprich über Dein Lean Coffee, beispielsweise…
- am (virtuellen) Schwarzen Brett,
- im Intranet,
- in der Kaffeeküche bei der Kaffeemaschine und dem Wasserkocher,
- im Newsletter oder
- an Durchgangstüren in den Bürofluren.
Die Termineinladung sollte von möglichst vielen Personen gelesen werden können.
Lesetipp
Einzelheiten zum Aufbau und Ablauf der Methode findest Du im Taschenratgeber Fix your Lousy Meetings: with the Ultimate Guide to Lean Coffee* von Raymond Davey.
Ursprung
Als Erfinder der Sitzungsart Lean Coffee gelten die US-Amerikaner Jeremy Lightsmith und Jim Benson. 2009 veranstalteten die beiden Agile Coaches in Seattle das erste öffentliche Lean Coffee Treffen.
Der Legende nach kombinierten Lightsmith und Benson Elemente aus der Großgruppenmoderationstechnik World Café mit dem Kanban Board. Die Ursprungsabsicht der beiden war es, sich mit Interessierten zum Themengebiet Lean Management auszutauschen, ohne dafür zu großen Organisationsaufwand schultern zu müssen. Vielmehr sollten die Teilnehmer und ihre Fragen und Ideen im Vordergrund stehen.
Ihre einprägsame Bezeichnung ‚Lean Coffee‘ geht dabei auf…
- die Prinzipien des Lean Thinkings (Verschwendung vermeiden, Lernen verstärken, Eigenverantwortung fördern, das große Ganze sehen) sowie
- die Wohlfühlatmosphäre eines Coffee Shops (offen, entspannt, informell)
zurück. Heute ist Lean Coffee ein Warenzeichen von Modus Cooperandi.
Bonusmaterial
Incrementor: Lean Coffee in 5 Minutes (4 min) – das Meeting-Format im englischsprachigen Kurzclip
- Frederike Petersen: So gelingt LeanCoffee digital: Schnelle Struktur für offenen Austausch – Gestaltungshinweise für die virtuelle Umsetzung des Meeting-Formats
- Jeremy Lightsmith: Lean Coffee – offizielle Webseite mit zahlreichen Links auf weiterführendes Material
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