Hypothesis Tree

Der Hypothesis Tree – Lösungen für ein Problem erarbeiten

Als ProjektleiterManager oder Wissensarbeiter bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:

  • Was hilft uns die den Lösungen zu Grunde liegenden Annahmen zu explizieren?
  • Worin besteht die Hauptursache für ein aufgetretenes Problem?
  • Wie lässt sich eine vielschichtige Frage strukturiert beantworten?

Unterstützung findest Du im Hypothesis Tree und der Hypothesen-basierten Problemlösung.


Ergebnis: Ursachen eines Problems oder Lösungen für ein Ziel analysiert und visualisiert

Teilnehmer: mind. 1 (besser: im Team bis 5 Personen)

Dauer: mind. 30 min (je Zahl der Ursachen bzw. Lösungen sowie Vielschichtigkeit des Sachverhalts)

Utensilien: Whiteboard/Flipchart/Metaplan-Wand, Karten & Stifte oder Notebook & Office Software


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Zweck

Mit einem Hypothesis Tree zerlegst, analysierst und visualisierst Du ein vielschichtiges Problem bzw. eine umfassende Aufgabenstellung strukturiert auf Basis handhabbarer Teilhypothesen. Dabei zeigt Dir der Hypothesenbaum die Abhängigkeitshierarchien zwischen den einzelnen Subannahmen.

Nutze den Hypothesis Tree für…

  • die Herausarbeitung potenzieller Ursachen – dem ‚Warum‘ – eines aufgetretenen Problems bzw.
  • das Finden möglicher Lösungen – dem ‚Wie‘ – für ein anvisiertes Ziel.

Immer dann, wenn ein Problem bzw. Ziel unbekannt, unstrukturiert oder einzigartig sind, Du die Fachdomäne jedoch gut kennst, leistet Dir das Konzept wertvolle Dienste.

Die grafische Struktur des Baumes schafft ein gemeinsames Verständnis zur Fragestellung sowie eine klare Orientierung im Vorgehen. Zudem machst Du mit dem Modell implizite Annahmen über Eigenschaften und Zusammenhänge der Problem- bzw. Lösungselemente transparent.

Synonyme für Hypothesis Tree sind Hypothesenbaum, Annahmenbaum, Analysebaum, Hypothesenpyramide oder das englischsprachige Hypothesis Pyramid.


Aufbau

Elemente – „In welche Teilhypothesen zerfällt die Frage?“

Ein Hypothesis Tree ist ein Problem- oder Lösungsbaum. Er beantwortet also entweder eine ‚Warum‘- oder eine ‚Wie‘-Frage.

Unabhängig welchen Zweck Du verfolgst, besitzt das Modell immer folgende Elemente:

  • eine Wurzel mit einer aktionsorientierten Kernhypothese (auch Hauptannahme bzw. Kernbehauptung) bzgl. der Hauptursache bzw. der Handlungsempfehlung,
  • mehrere Blätter als Teilhypothesen bzgl. Teilursachen bzw. Teilschritte sowie
  • die Verbindungen zwischen den Blättern als Hierarchiebeziehungen.

Alle Blätter, die direkt mit der Wurzel verbunden sind, bilden die Ebene 1. Die Blätter, die wiederum mit diesen Blättern verbunden sind, die Ebene 2, und so weiter. Sowohl die Wurzel als auch die Blätter formulierst Du als atomare Aussagen, die sich entweder bestätigen oder ablehnen lassen.

Eine als Blatt dargestellte Teilhypothese lässt sich entweder in noch feingliedrigere Teilhypothesen herunterbrechen oder als Elementarhypothese im Ganzen bestätigen bzw. widerlegen. Im ersten Fall verästelt sich Dein Baum weiter, im zweiten Fall hast Du für diesen Ast die unterste Ebene erreicht. Zerlege anhand fachlicher Gesichtspunkte wie beispielsweise Kundensegmente, Organisationseinheiten, Standorte oder Systemelemente.

Jede Teilhypothese ist eine notwendige Bedingung für ihre darüberliegende Hypothese. Zwei Fälle sind möglich:

  • Widerlegst Du die Teilhypothese, dann ist auch die verbundene Hypothese auf der darüberliegenden Ebene widerlegt.
  • Bestätigst Du die Teilhypothese, dann ist das ein Hinweis (aber keine finale Bestätigung) für die Richtigkeit der darüberliegenden Hypothese.

Das Gegenteil gilt nicht. Widerlegst Du eine Hypothese, dann müssen ihre untergeordneten Teilhypothesen nicht zwangsläufig falsch sein. Bestätigst Du hingegen die Hypothese, dann sind mit dieser hinreichenden Bedingung auch ihre verbundenen Teilhypothesen korrekt.

Hypothesis Tree
Struktur und Elemente des Hypothesis Trees

MECE Eigenschaft – „Was zeichnet einen guten Hypothesis Tree aus?“

Die Blätter eines guten Hypothesis Trees erfüllen das sogenannte MECE Prinzip. Das englische Akronym steht für ‚Mutually Exclusive & Collectively Exhaustive‘, zu Deutsch ’sich gegenseitig ausschließend & insgesamt erschöpfend‘.

Im Kern enthält MECE zwei Anforderungen an die Blätter Deines Hypothesenbaums:

  • Mutually Exclusive (überlappungsfrei): Alle Blätter einer Ebene sind überschneidungsfrei. Daher: Keine Teilursache bzw. -lösung überdeckt sich inhaltlich mit einer anderen.
  • Collectively Exhaustive (vollständig): Alle Blätter einer Ebene decken in Summe das Blatt der nächsthöheren gelegenen Ebene vollständig ab. Daher: Das Blatt auf Ebene n umfasst keine weiteren inhaltlichen Aspekte die von den Teilursachen und -lösungen auf der tieferen Ebene n+1 nicht aufgegriffen werden.

Ein nach dem MECE Prinzip ausgerichteter Hypothesis Tree kannst Du prima für die Ursachenfindung bzw. Problemlösung nutzen. Seine Elemente sind unabhängig voneinander und beschreiben dennoch den Sachverhalt in allen verschiedenen Facetten.

Struktur – „Wie wird ein Hypothesis Tree dargestellt?“

In der Regel modellierst Du einen Hypothesis Tree von links nach rechts. Ganz links befindet sich die Wurzel – der Dreh- und Angelpunkt Deiner Analyse. Rechts daneben ordnest Du die verschiedenen Unterebenen mit ihren einzelnen Blättern an.

Visuell gleicht das Konstrukt einem um 90° Grad nach links gekipptem Organigramm bzw. Stammbaum. Die Pyramidenform eines Hypothesis Trees ist auch der Grund, weshalb das Modell manchmal auch Hypothesenpyramide genannt wird.

Ergänze die finale Struktur mit Meta-Infos, wie einem aussagekräftigen Titel, die verantwortlichen Autoren sowie das Datum der letzten Aktualisierung.


Anwendung

Einen Hypothesis Tree erstellst Du allein oder im Rahmen eines Workshops mit fachkundigen Wissensträgern. Durchlaufe in beiden Modi die Hypothesen-basierte Problemlösung (englisch Hypothesis-based Problem Solving, HBPS):

1. Kernhypothese formulieren

Formuliere zunächst die Wurzel des Hypothesis Trees. Bei einem Problembaum ist dies die Aussage nach der Hauptursache, bei einem Lösungsbaum die generelle Handlungsempfehlung.

Fixiere zudem den Scope, daher was in welchem Umfang betrachtet wird.

2. Blätter identifizieren

Auf Basis von Kreativitätstechniken wie Brainstorming oder der 6-3-5 Methode brichst Du die Kernhypothese in diskrete Teilhypothesen herunter. Diese stützen die Hauptursache bzw. Handlungsempfehlung.

Notiere alle Gründe und Ideen in Form von Blättern. Nutze dabei stets einen identischen und einfach verständlichen Satzbau.

3. Blätter anordnen

Nun verleihst Du Deinem Baum eine Struktur. Sortiere dazu die Blätter auf semantisch gleiche Ebene und verbinde sie mittels Beziehungslinien. Achte auf die Einhaltung des MECE Prinzips.

In der Praxis sollte Dein Hypothesis Tree maximal fünf Ebenen besitzen. Das ist handhabbar und trotzdem umfassend.

4. Tests formulieren

Die Blätter der untersten Ebene Deines Hypothesis Trees sollten spezifisch genug sein, dass diese mit konkreten Tests bestätigt oder widerlegt werden können.

Nutze die Testkarte und formuliere Experimente, welche die Teilhypothese validieren. Verteile dazu Aufgaben mit Ergebnissen, Verantwortlichen und Fristen.

In der Regel besitzt die Erstfassung eines Hypothesis Trees noch nicht perfekt. Iteriere. Durchlaufe dazu mehrmals die Schritte 2 bis 4.



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Beispiele

Partnerschaftlicher Markteintritt in Kanada mit einer Self Publishing Plattform

Ein europäisches Digital-Unternehmen namens Librinova plant zu wachsen und mit seiner Self Publishing Plattform Kanada zu erschließen. Da Librinova den kanadischen Markt nicht kennt, prüft es eine Partnerschaft mit der Regionalfirma De Marque.

Die nachfolgende Abbildung zeigt Dir den verkürzten Hypothesis Tree für Librinovas mögliche Handlung. Das Beispiel ist eine abgewandelte Fassung aus dem Buch Cracked It!*.

Hypothesis Tree
Beispiel für einen unvollständigen Hypothesis Tree zur Fragestellung ‚Marktwachstum in Kanada‘

Vor- & Nachteile

Pro

  • Ein Hypothesis Tree erlaubt Dir effizient und intuitiv aus einer Kernhypothese relevante Teilaspekte abzuleiten. Das Ergebnis ist verständlich und nachvollziehbar.
  • Das grafische Modell bringt die verschiedenen Ursachen eines Problems bzw. Aspekte einer Lösung in eine strukturierte und gut kommunizierbare Form.
  • Zudem hilft das Baummodell sachlich unabhängige Aufgaben zur Hypothesenvalidierung zu formulieren und unter einem Team von Umsetzern aufzuteilen. Jeder ist engagiert das Problem zu lösen bzw. Ziel zu erreichen.
  • Das mit einem Hypothesis Tree verbundene Zerlegungsverfahren systematisiert. In der Regel lassen sich neue Erkenntnisse gewinnen bzw. Folgeschritte ableiten.

Contra

  • Ein Hypothesis Tree macht keine Aussagen darüber, wie sich die Teilhypothesen in den einzelnen Blättern finden bzw. validieren lassen.
  • Die Kernhypothese prägt den Suchrahmen und engt diesen ein. Es droht die Gefahr alternative Aspekte außerhalb der Wurzel zu ignorieren.
  • Insbesondere bei vielschichtigen Fragestellungen benötigt die Technik Zeit und ist fachlich ansprechend. Das Risiko besteht sich in den Einzelästen des Baumes zu verlieren.
  • Auch stößt die Technik bei zu großen Informationsmengen an ihre Grenzen. Liegen zu viele Blätter vor, fällt es schwer diese auf die Ebenen zu verteilen und nach dem MECE Prinzip zu gestalten.

Praxistipps

Tipp 1 – Methodisch Teilhypothesen finden & testen

Nutze Kreativitätstechniken wie SCAMPERBrainstorming oder 6-3-5 zum Entwickeln valider Teilhypothesen.

Bringe Validierungsmethoden wie Desk ResearchInterviewsObservationMinimum Viable Product oder Testkarte für das Verifizieren bzw. Falsifizieren von Elementarhypothesen zum Einsatz.

Tipp 2 – Teilhypothese durch Warum-Frage aufspüren

Hinterfrage mittels der Five-Why Fragetechnik eine Hypothese und finde auf diese Weise passende Teilhypothesen. Das Fragen nach dem ‚Warum‘ bringt Dich dem Ursachenkern näher.

Bei der Zielerreichung nutzt Du hingegen die „Was heißt das? („So what?2) Frage. Jede Antwort ist eine potenzielle Teilhypothese.

Tipp 3 – Hypothesen belegen wie auch widerlegen

Hypothesen sollten sowohl bestätigt als auch widerlegt werden. Hinterfrage Deine Annahmen kritisch und suche ebenfalls nach Zahlen, Daten und Fakten, welche die Behauptungen entkräften. Hilfreich:

  • Inwiefern trifft das immer/nie/für jeden Fall zu?
  • Welche Ausnahmen/Sonderfälle/Spezialsituationen existieren?
  • Führt die Hypothese immer zur Teilhypothese?

Tipp 4 – Baum durch gezieltes Fragen verbreitern

Stelle durch Übung sicher, dass sich alle Blätter einer Ebene Deines Hypothesis Trees inhaltlich gegenseitig ausschließen, der Baum damit ‚Mutually Exclusive‚ ist.

Setze für das zweite MECE Kriterium ‚Collectively Exhaustive‚ gezielt auf Fragen. Einige Anregungen:

  • Welche Teillösungen, Zwischenschritte bzw. Einzelaufgaben sind für die Hypothese erforderlich?
  • Worin bestehen die Gründe, Motive, Symptome bzw. Indizien für die Hypothese?
  • Worin bestehen die notwendigen Voraussetzungen für eine Hypothese?

Identifiziere weitere Aspekte, die bestätigt werden sollten, damit Deine Kernhypothese hält.

Tipp 5 – Hypothesenbaum im Team erarbeiten

Entwickle den Hypothesis Tree in einer Arbeitsgruppe und profitiere damit von mehreren Vorteilen:

  • Die Teilnehmer bringen umfassendes Wissen über das Problem bzw. die Lösung mit. Zusätzliche sowie bessere Teilhypothesen entstehen.
  • Das Risiko Hypothesen einfach nur bestätigen zu wollen sinkt, da kritisches Hinterfragen wahrscheinlicher ist.
  • Die mit dem Test der Hypothese verbundenen Aufgaben lassen sich direkt vergeben, ohne das zuvor Personen noch abgeholt bzw. eingewiesen werden müssen.

Gegen die Arbeit im Team sprechen der zusätzliche Organisationsaufwand, die Gefahr negativer Gruppendynamik sowie die notwendige Verfügbarkeit für synchrones Arbeiten.

Tipp 6 – Starke Hypothesen formulieren

Starke Hypothesen

  • haben ihre Quelle in BeobachtungenInterviews, Anomalien, qualitativen und quantitativen Analysen (z.B. „Wir haben in der ersten Stunde der Ladenöffnung weniger Kunden gezählt.„).
  • enthalten im Aufbau eine mögliche Ursache-Wirkungs-Beziehungen (z.B. „Falls wir unsere Läden eine Stunde später öffnen, hat das keine Auswirkung auf den Tagesumsatz.„).
  • lassen sich anhand von Messungen bestätigen oder widerlegen (z.B. Uhrzeit, Umsatz).
  • erlauben eine wiederkehrende Prüfung durch Dritte (z.B. späterer Zeitpunkt, durch Nachbarabteilung).
  • erfordern aus Sicht der Stakeholder eine Beantwortung (z.B. „Falls wir die Läden eine Stunde später öffnen, singen die Betriebskosten.„).

Stattdessen beruhen schwache Hypothesen auf Vermutungen, Meinungen bzw. Glaubenssätzen (z.B. „Wir glauben, dass wohlhabendere Käuferinnen unsere Produkte mögen werden.„), zeigen keine Ursache-Wirkungs-Beziehungen auf (z.B. „Wir können mit unserer Marke auch in gehobenen Marktsegmenten einsteigen.„) und lassen sich schwer überprüfen. Mache Deine Hypothesen stark.


Ursprung

Der Hypothesis Tree gehört zum Standardwerkzeug von Strategieberatungen wie McKinsey & Company, The Boston Consulting Group sowie Bain & Company. Die Strategy Consultants überführen die geschäftlichen Fragestellungen ihrer Kunden in Hypothesenbäume, deren Elementarhypothesen sie dann schrittweise bestätigen bzw. widerlegen.

Woher der Ansatz ursprünglich stammt, konnte ich auch nach langer Recherche nicht herausfinden.


Bonusmaterial

MConsulting Prep: Hypothesis – Consulting Case Interview Prep (7 min)- der englischsprachige Clip erklärt das Konzept des Hypothesis Trees

„Gut erdachte Hypothesen sind große Hilfsmittel für das Gedächtnis und leiten uns oft zu Entdeckungen.“

John Locke, englischer Arzt und Philosoph

„Nicht das, was du nicht weißt, bringt dich in Schwierigkeiten,
sonden das, was du sicher zu wissen glaubst, obwohl es gar nicht wahr ist.“

Mark Twain, US-amerikanischer Schriftsteller

Letzte Aktualisierung am 2024-11-21 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API


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