Torsten Timm

Für Videos gilt: weg vom ich, hin zum Mehrwert – Torsten Timm im Interview

Als Berater hast Du ein großes Problem: Dein Angebot ist abstrakt und für das Medium Videos eigentlich nicht wirklich geeignet. Eigentlich. Denn auch für Unternehmensberater ist das Bewegtbild im Kommen. Nicht nur zu Marketing- & Vertriebszwecken, sondern auch für Trainings- und Coachingprodukte. Klingt interessant? Für mich schon! Nach meinem zaghaften YouTube Versuchen Anfang des Jahres sprach ich mit Torsten Timm. Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der Bewegtbild-Experte mit audiovisuellen Inhalten in der Bildung. Im Interview spreche ich mit ihm über die Rolle von Videos im B2B, häufige Fehler in der Filmproduktion sowie die Frage, ob Berater jetzt zu YouTube Stars werden müssen.


Dr. Christopher Schulz (Consulting LIFE): Hallo Torsten Timm. Im aktuellen Jahr 2018 – welche Rolle spielt da das bewegte Bild im Marketing & Sales für Unternehmensberater, Trainer und Coaches?

Torsten Timm

Bewegtbild spielt weltweit schon lange eine immens große Rolle. Da befinden wir uns in Deutschland noch im Dornröschenschlaf. Den Meisten ist dabei nicht bewusst, welche Chancen sich mit dem Einsatz von Videos ergeben. Für 2018 erwarten wir, dass vom gesamten Internet-Datenverkehr über 80 Prozent für bewegte Bilder genutzt werden.

Nach Blogs, Twitter und Social Networks – muss ich als Consultant jetzt zum YouTube Star werden?

Müssen, müssen Sie nicht. Wenn Sie aber den Anschluss nicht verpassen wollen und Ihre künftige Zielgruppe, treffsicher ansprechen wollen, dann werden Sie um Bewegtbild nicht herumkommen. Dabei muss nicht jeder, alles mit Video machen.

Fest steht, dass mit gut gemachten (kurzen) Videos, eine viel höhere Authentizität erreicht wird, als mit Bild- und Textbeiträgen. Wesentlicher Unterschied zwischen Text und Bild, ist: Bewegtbild zeigt in Sekunden, was Texte erst seitenweise beschreiben und erklären müssen.

Die Dienstleistung von Beratern, Trainern und Coaches ist häufig sehr abstrakt. Wie schaffe ich es dennoch, die Idee und den Nutzen mittels bewegten Bildern plastisch und merkenswert zu transportieren?

Das ist sehr komplex und hängt von vielen verschiedenen Komponenten ab. Als erstes muss Ihnen klar sein, was Ihre eigentliche Botschaft ist.

Ich möchte Ihnen dazu ein kleines Beispiel geben. Ich habe mein Auto nicht, weil ich gerne Auto fahre, sondern weil ich unabhängig zur Arbeit, zu einer Fortbildung oder in den Urlaub möchte. Das bedeutet, ich kaufe eigentlich kein Auto, sondern die Dienstleistung bzw. den Mehrwert, unabhängige Mobilität genießen zu können.

Also müssen Berater, Trainer und Coaches, sich erst einmal darüber klar werden, worin der Mehrwert besteht, den sie ihren Kunden bieten. Daraus entsteht dann ein an die Dienstleistung angepasstes Konzept. Abhängig von der Plattform (Coaching, Facebook, YouTube, Website, etc.) gestaltet sich die Machart des Videos meist völlig unterschiedlich. Natürlich kann einiges mit einfachen Mitteln, ggf. sogar selbst realisiert werden. Aber eben nicht alles.

Aus Ihrer Erfahrung: welches sind drei typische Fehler, die Berater in ihren Marketing Videos immer wieder begehen?

Hauptfehler, aus meiner Sicht, ist die überzogene Selbstdarstellung. Der Kunde will nicht wissen, was für ein toller Typ Sie sind, sondern welchen Mehrwert er von Ihnen erwarten kann. Ein weiterer häufiger Fehler ist das Überfrachten mit Inhalten. Hier sollten  Sie sich auf die wichtigste Kernleistung beschränken. Als letztes fällt mir die immer wieder minderwertige Qualität auf. Dabei wird bei der Auftragsvergabe am falschen Ende gespart. Billigvideos sehen meist auch billig aus. Videos können preiswert sein, und trotzdem eine ansprechende Qualität besitzen.

Suchen Sie nicht in der großen weiten Welt nach Anbietern, sondern schauen Sie mal auf regionale Webportale, zum Beispiel das Ihrer Stadt. Auch ein Blick auf Xing oder LinkedIn ist hilfreich. Lassen Sie sich Referenzvideos zeigen und entscheiden Sie sich dann, vorerst mit einem kleinen Projekt, für einen Anbieter.

Vorher: Der Methoden-Clip ‚Stakeholderanalyse‘ vor der Bearbeitung

Angenommen ich möchte als Beratungsunternehmen zwei Clips für potentielle Kunden und Mitarbeiter drehen. Welches Format (30-Sekunden Teaser, 5-Minuten Erklärvideo, etc.) empfehlen Sie mir für den Anfang?

Ich würde zu allererst ein Porträt-Video produzieren. Damit habe ich die Möglichkeit eine erste emotionale Bindung herzustellen. Wenn ich einige wenige Personen, stellvertretend vorstelle, bauen Sie Vertrauen zum Kunden auf. Das erzeugt wiederum Nähe zum Unternehmen. Die Länge sollte 3 Minuten nicht übersteigen. Wenn Sie keine Mitarbeiter haben, lassen Sie Ihre Kunden sprechen.

Als zweites Video stünde eindeutig ein Sales-Video auf dem Programm. Darin würden Sie das wesentliche Angebot Ihres Unternehmens kurz vorstellen. Dabei aber ausschließlich den Mehrwert für den Kunden herausstellen, nicht wie toll Sie selbst sind und was die Dienstleistung alles umfasst. Weg vom ich/wir hin zum Mehrwert des Produktes lautet das Motto.

Und welches Equipment sollte ich mir für den internen Dreh unbedingt zulegen bzw. anmieten?

Entweder benutzen Sie von vornherein Ihr ohnehin vorhandenes Smartphone oder eine leistungsfähige Systemkamera. Hochwertige Systemkameras, zum halbwegs erschwinglichen Preis, wären Mitte 2018 zum Beispiel die Sony Alpha 7, Panasonic Lumix G9 oder G81. Diese liegen im Preissegment um die 1.100 bis 1.300 Euro. Das ist dann aber auch schon der teuerste Einzelposten.

Stativ, Mikrofon für den Videodreh oder Mikrofon für Pod- bzw. ScreenCast und Videolicht mobil kosten jeweils kaum mehr als 50 Euro, wenn sie eine (sehr) gute Qualität liefern. Eine entsprechende Kaufempfehlung finden Sie in meiner Materialliste.

Neben Marketing kann das bewegte Bild selbst zum Produkt werden, beispielsweise in Online Kursen oder Video Coachings. Was unterscheidet ein gutes Wissens-Video von einem mittelmäßigen?

Zunächst ein paar Grundregeln zum Thema gutes Video: Entscheidend ist immer der Rezipient. Deshalb ist der Erfolg von Lernvideos von verschiedenen Faktoren abhängig. Diese sind beispielsweise Bildung, Lernfähigkeit, Lerntyp (haptisch, audio-visuell, etc.), Lebenserfahrung, Alter und auch Kulturkreis des Empfängers. Was aber grundsätzlich gilt ist:

  1. Fassen Sie sich kurz. Möglichst nur einen wesentlichen Fakt behandeln. Lernvideos
    nicht länger als 5 Minuten.
    2. Bieten Sie dem Rezipienten immer wieder Eye-Catcher. Dies können besondere
    Blickwinkel (Vogelperspektive, Froschperspektive, Zeitraffer, etc.), sehr gute Grafiken oder ansprechende Animationen sein. Auch hier kann vielfach selbst Hand angelegt werden.
    3.Benutzen Sie einfache Formulierungen, welche es den Rezipienten ermöglichen, selbst komplexe Inhalte zu verstehen.

Die heutigen Empfänger sind Spitzenqualität, bis hin zu 4K vom Fernsehen, YouTube sowie NetFlix & Co gewöhnt. Dadurch wird eine gewisse Sehgewohnheit herausgebildet. Legen Sie einfach einmal eine DVD ein und schauen diese auf einem 65 Zoll 4K-Fernseher. Verglichen mit Netflix & co. sieht das qualitativ sehr schlecht aus.

Bevor Sie ein schlechtes Video zum Einsatz bringen, sollten Sie lieber ganz auf das Produkt Video verzichten. Auch in Online-Kursen müssen Sie den Rezipienten ständig binden, sonst wechselt er zu einem anderen Anbieter. 

Werden wir konkret: mit Blick auf meine drei Videoproduktionen zu Consulting Methoden für den Projektstart – was kann ich hier zukünftig verbessern?

Vermeiden Sie eine aus Präsensveranstaltungen bekannte Präsentation für derartige Videos. Stattdessen sollten Sie aufbereitete Textbausteine einblenden, beispielsweise in Form von Schlagwörtern. Das muss dann auf Ihren Sprechtext passen.

Der Sprechtext darf auf keinen Fall während der Aufnahme erst erdacht werden. Sie müssen in vorher aufschreiben und anschließend einsprechen. Dabei sollten Sie auf ’steife‘ Formulierungen verzichten. Der Text sollte so geschrieben sein, als würden Sie den Sachverhalt freisprechend erklären.

Die Tonqualität dürfen Sie gerne etwas anheben. Ein Standard-Headset ist hier in der Regel nicht ausreichend. Denken Sie darüber nach, ein Format wie die Reportageform zu wählen. Der Sprecher ist also im Bild zu sehen. Ebenfalls möglich ist die Form eines Interviews.

In Ihrem Unternehmen der t-media unterstützen Sie Kunden bei der Medienproduktion und Medienberatung. Inwieweit haben sich die Anforderungen und Wünsche Ihrer Kunden in digitalen Zeiten gewandelt?

Nach meiner Beobachtung besteht in vielen Unternehmen noch eine große Skepsis. Die immensen Chancen von Bewegtbild in der Unternehmensdarstellung werden nur selten erkannt bzw. häufig in Frage gestellt. Zu sehr herrscht der Irrglaube vor, dass Videos extrem teuer sind. Von denen, die erkannt haben, dass Bewegtbild ihren Erfolg verstärken kann, legen sehr viele selbst Hand an. Leider ignorieren sie dabei, wieviel sie sich mit einem minderwertigen Videoprodukt schaden, statt einen Nutzen zu generieren.

Allerdings lassen sich mehr und mehr Trainer und Unternehmen von mir beraten und coachen. Deshalb richte ich meinen Schwerpunkt seit geraumer Zeit nicht mehr darauf aus, Image- oder Lehrvideos zu produzieren, sondern habe meine Geschäftstätigkeit auf Beratung und Schulung verlegt. Letztlich versetze ich Trainer und Kleinunternehmen somit in die Lage, entsprechend ihres Budgets, hochwertige Videos zu produzieren und diese bei Bedarf auch an neue Gegebenheiten, mit geringem Aufwand anzupassen.

Nachher: Der Methoden-Clip ‚Stakeholderanalyse‘ nach der Bearbeitung durch Torsten Timm mit Fokus auf Tonqualität und Machart

Finale Frage, mit der Bitte um den Blick in die Glaskugel: was erwarten Sie inhaltlich, sozial und technisch in Business-to-Business Videos in den nächsten Jahren?

Bei über 1.5 Millionen geschäftsorientierten Videoanfragen im Jahr stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit von Bewegtbildproduktionen nicht mehr. Wer sich richtig aufstellt, sich in den wesentlichen Fähigkeiten Schulen lässt und der Nachfrage angepasste Videobeiträge bereitstellt, wird nicht nur seine Reichweite erhöhen, sondern auch auf einen zufriedeneren Kundenstamm blicken können.

Durch die Nutzung von Videos wird im B2B-Bereich, das Interesse an den eigenen Dienstleistungen immens gesteigert. Weshalb gerade auch für uns die Glaubwürdigkeit durch den Einsatz von Video so extrem steigt, ist wissenschaftlich hinreichend belegt. Im Video wird nicht erklärt und beschrieben, sondern gezeigt. Der Kunde sieht, was ihm geboten wird.

Bonusfrage: Welchen Buchtipp haben Sie an alle, die das Thema Bewegte Bilder gerne vertiefen möchten?

Mein Buchtipp ist: ‚Das geht besser mit Bewegtbild – Tipps und Vorschläge für den Einsatz von Filmen in der Unternehmenskommunikation‘ von den Autoren Ramona Obst und Stephan Klein der hunderteins GmbH. Das Buch können Sie kostenlos über die Webseite des Unternehmens beziehen.

Herzlichen Dank für Ihre Zeit!

Das Interview mit Torsten Timm führte Christopher Schulz am 05. Juli 2018.


Über den Interviewpartner Torsten Timm
Torsten Timm beschäftigt sich seit zwanzig Jahren mit audiovisuellen Inhalten in der Bildung. Er leitet ein Foto- und Videoteam mit acht Fotografen, Kameraleuten, 3-D-Animateuren, Cuttern und Sounddesignern. 
Sein Ziel: Beratung und Schulung im Workshop oder vor Ort damit seine Kunden in der Lage sind, Videos mit bestmöglicher Qualität, bei geringem finanziellem und zeitlichem Aufwand zu produzieren. Dafür hat Torsten Timm Tipps parat, die sofort umgesetzt werden können, etwa die Bewegtbildproduktion per Smartphone – und kleinem Equipment.


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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für den interessanten Artikel. Mehrwert im Video sollte wirklich schon eine Selbstverständlichkeit sein. Sonst bringt ein Werbefilm nichts.
    Mit besten Grüßen,
    Tobias

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