Der Decision Canvas – einen Entscheidungsbedarf fixieren
Als Projektleiter, Manager oder Wissensarbeiter bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Was hilft uns eine vielschichtige Entscheidung strukturiert zu erfassen und vorzubereiten?
- Auf welche Weise visualisieren wir den inhaltlichen und personellen Umfang eines Entscheidungsbedarfs?
- Wie stellen wir sicher, dass jeder die eigene Rolle im Beschlussprozess kennt?
Unterstützung findest Du in der Decision Canvas und im Verfahren des Decision Modelings.
Ergebnis: Entscheidungsbedarf dokumentiert, abgestimmt und verabschiedet
Teilnehmer: mind. 1 (besser: im Team)
Dauer: ab 45 Minuten (je Entscheidungsbedarf bzw. Zahl der Teilnehmer)
Utensilien: Whiteboard/Flipchart/Metaplan-Wand, Karten & Stifte oder Notebook & Office Software
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Zweck
Der Decision Canvas hilft Deinem Team und Dir eine vielschichtige Entscheidung zu erfassen, zu durchdenken und transparent zu machen. Das visuelle Werkzeug schafft Klarheit über den Entscheidungsbedarf sowie über die eigene Rolle während der Entscheidungsfindung.
Nutze den Canvas…
- für Projekte die auf eine Entscheidung abzielen, wie ein Business Case, eine IT-Systemauswahl oder eine Machbarkeitsanalyse.
- zu Beginn von weitreichenden organisatorischen Entscheidungsprozessen, welche eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit erfordern.
- für neuartige und richtungsweisende Beschlüsse mit zahlreichen Beteiligten.
- zum Sortieren und Neustarten von festgefahrenen Entscheidungssituationen.
Der (die, das – alle drei Varianten sind korrekt) Decision Canvas eignet sich für Beschlüsse, für die es keine objektiv optimale Wahl gibt. Er schafft ein gemeinsames Verständnis über Zweck, Gegenstand, Zeitlichkeit, und Stakeholder in einem Entscheidungsprozess.
Synonyme für den Decision Canvas ist der deutsche Begriff Entscheidungsleinwand.
Aufbau
Decision Canvas – „Wer und was steht hinter einer wichtigen Entscheidung?“
Der Decision Canvas besteht aus drei Feldern mit 12 offenen Fragen. Diese helfen den beteiligten Akteuren den Entscheidungsbedarf strukturiert und unvoreingenommen zu durchdenken.
Unter jeder Frage verortest Du Karten, auf denen Du in Substantiven oder kurzen Gruppen von maximal fünf Worten eine Entscheidungseigenschaften notierst. Der Vorteil bei diesem Vorgehen: Karten können gestapelt, verschoben oder nachträglich vom Canvas entfernt werden. Außerdem zwingen Karten zur Kürze und Klarheit.
Spendiere Deinem Decision Canvas ganz oben einen offiziellen Titel. Gut geeignet ist der Entscheidungsgegenstand. Ergänze zudem den Eigentümer (engl. Owner), also die Person, die eine Entscheidung benötigt. Komplettiere den Canvas mit den beteiligten Autoren sowie das Datum der letzten Aktualisierung.
Entscheidungsgeschichte (engl. Decision Story) – „Weshalb existiert die Entscheidung?“
Jede Entscheidung erfolgt aus einem Grund und verfolgt mindestens ein Ziel. Erfasse im ersten Canvas Feld die Anatomie der Entscheidung.
- Gegenstand – Was bzw. worüber soll entschieden werden?
- Zweck (engl. Purpose) – Wofür wird die Entscheidung gebraucht?
- Tragweite (engl. Impact) – Für wen oder was wird die Entscheidung die Zukunft verändern?
- Abgrenzung (engl. Scope) – Was bzw. worüber soll nicht entschieden werden?
Zeit (engl. Time) – „Welche zeitlichen Rahmenbedingungen gelten?“
Keine Entscheidung kann immer getroffen werden. Notiere in diesem Canvas Feld alle zeitbezogenen Details.
- Bedarf – Warum steht die Entscheidung gerade jetzt an?
- Frist – Bis wann wird die Entscheidung spätestens benötigt?
- Verzug – Was sind die Kosten bzw. Konsequenzen einer Verzögerung?
Menschen (engl. People) – „Wer beeinflusst die Entscheidung in welcher Rolle?“
Eine Entscheidung wird von Menschen gefällt und in die Tat umgesetzt. Erfasse in diesem Canvas Feld alle relevanten Akteure und ihre Rolle für den Beschluss.
- Entscheider – Wer bzw. welches Gremium trifft die Entscheidung?
- Vorbereiter – Wer organisiert, koordiniert und bahnt die Entscheidung an?
- Wissensträger – Wessen Knowhow bzw. Expertise wird gebraucht?
- Umsetzer – Wer bearbeitet die aus der Entscheidung folgenden Aufgaben?
- Nutzer – Wer wendet das aus der Entscheidung resultierende Ergebnis an?
Anwendung
Nutze den Decision Canvas zu Beginn eines Entscheidungsprozesses zum Explizieren des Entscheidungsbedarfs. Das Werkzeug kannst Du solo einsetzen. Empfehlenswert jedoch ist die gemeinsame Erarbeitung im Rahmen eines Workshops mit allen in den Beschluss eingebundenen Stakeholdern.
1. Sitzung vorbereiten
Kläre direkt zum Start, wer eine Entscheidung benötigt. Es gilt: Keine Entscheidung ohne Eigentümer. Präzisiere ebenfalls, wer von der Entscheidung beeinflusst wird bzw. auf diese Einfluss ausübt, in die Sitzung daher einbezogen werden sollte.
Notiere den Titel sowie die verantwortlichen Autoren auf dem Decision Canvas.
2. Entscheidungsgeschichte definieren
Fixiere zuerst die Entscheidungsgeschichte. Definiere dazu den Gegenstand, den Zweck, die Auswirkungen sowie den Scope des Beschlusses. Maximal 10 Minuten, mehr sollte dieser Schritt nicht benötigen.
3. Zeit bestimmen
Erarbeite nun die Zeitangaben, daher Gründe für die Entscheidung, Fristen sowie die Folgen, falls nichts passiert. Achte auch hier wieder auf das Zeitlimit von 10 Minuten.
4. Menschen festlegen
Benenne nun Ross und Reiter, indem Du den Entscheider sowie die Vorbereiter, Wissensträger, Umsetzer und Nutzer dokumentierst.
5. Canvas prüfen
Prüfe den Canvas bzgl. Vollständigkeit, Konsistenz und Korrektheit.
- Passt die Entscheidungsgeschichte zu Zeit und Nutzen?
- Existieren Konflikte bzgl. der Angaben auf den Karten?
- Können die genannten Personen mit ihren Rollen den Entscheidungsprozess vollständig umsetzen?
6. Ergebnisse abstimmen
Hinter einer Entscheidung stehen immer Personen, welche die Aufgaben mit Leben füllen. Stimme das Resultat mit den an der Entscheidung beteiligten Akteuren ab.
Iteriere noch einmal über den Canvas, falls nach einem Durchgang noch etwas Zeit bleibt.
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Beispiele
Decision Canvas für Einführung eines Home Office Tages
Eine Marketing-Agentur ist gezwungen aufgrund des auslaufenden Mietvertrags das Bürogebäude zu wechseln. Der Geschäftsführer Roland Müller plant bereits seit einiger Zeit einen Home-Office Tag für seine Mitarbeiter einzurichten. Damit soll der Platzbedarf gesenkt und die Zufriedenheit in der Belegschaft gesteigert werden.
Als Gebäudeverantwortlicher treibt Angestellte Martina Schmidt die Entscheidung. In einer Sitzung mit dem CEO Roland Müller und dem IT-Leiter Konrad Kuntze entwickelt sie den Decision Canvas.
Alle Stakeholder besitzen nun Klarheit über den Entscheidungsbedarf. Zudem sind Rollen und Zeitlichkeit fixiert.
Vor- & Nachteile
Pro
- Der Decision Canvas fördert die kooperative Definition und Abstimmung eines Entscheidungsbedarfs. Interaktiv den Zweck, die Konsequenzen sowie die Eckdaten zu formulieren und festzuzurren, macht Spaß.
- Die Methode kann bei minimalen Vorbereitungsaufwand vielfältig eingesetzt werden.
- Der Canvas zwingt zur systematischen dialogbasierten Auseinandersetzung mit dem Beschluss. Kein Punkt wird vergessen.
- Auch Personen, die nicht am Entstehungsprozess des Canvas beteiligt waren, erhalten mit Blick auf das kompakte Ergebnis schnell einen Überblick über die ausstehende Entscheidung.
Contra
- Einen vollständigen Decision Canvas zu erstellen und abzustimmen bedarf Zeit und Konzentration. Für schnelle Beschlüsse sind alternative Entscheidungswerkzeuge wie die OODA Loop oder Triage Technik geeigneter.
- Das Konzept setzt eine sachorientierte und offene Arbeitsatmosphäre voraus. In politisch bzw. emotional aufgeladenen Situationen ist es ungeeignet.
- Die Methode klärt den Entscheidungsbedarf zu Beginn. Sie ersetzt kein darauffolgendes Entscheidungsverfahren, -prozess oder -projekt. Nutze hierfür Methoden wie FOR-DEC oder SPALTEN.
Praxistipps
Tipp 1 – Zwischen Entscheidungsrollen trennen
Differenziere zwischen den am Entscheidungsprozess beteiligten Rollen.
- Eigentümer – Benötigt die Entscheidung und startet bzw. endet den Prozess.
- Vorbereiter – Sammelt entscheidungsrelevante Infos und organisiert Prozess.
- Wissensträger – Bringt seine Kenntnisse und Erfahrungen in Entscheidung ein.
- Umsetzer – Setzt die aus der Entscheidung resultierenden Maßnahmen um.
- Nutzer – Verwendet das Ergebnis der Entscheidung.
Lege explizit fest, welche Person im Entscheidungsprozess welche Rolle(n) ausfüllt.
Tipp 2 – Canvas im Team entwickeln
Erarbeite einen Decision Canvas mit den Akteuren, die später auch die aus der Entscheidung resultierenden Aufgaben vorantreiben bzw. die Ergebnisse einsetzen werden. Auf diese Weise wird der Entscheidungsbedarf von allen akzeptiert und keiner fühlt sich übergangen.
Tipp 3 – Entscheidung als Kernsatz formulieren
Lasse den Decision Canvas vom Entscheidungseigentümer in einem Satz auf den Punkt bringen. Nützlich dafür ist folgende Struktur:
„In meiner Eigenschaft als ROLLE benötige ich eine Entscheidung für GEGENSTAND damit ZWECK.„
Notiere die Decision Story über den Canvas. So bleibt die Zusammenfassung bei der Erarbeitung der Inhalte stets sichtbar.
Tipp 4 – Neuartigkeit der Entscheidung abfragen
Frage bei den Beteiligten vor Beginn der Arbeiten am Canvas ab, ob diese in der Vergangenheit bereits an einer vergleichbaren Entscheidung mitgewirkt haben.
Erkundige Dich dazu nach den Dimensionen Thema, Ergebnis, Umfeld, Vorgehen und Team.
Lesetipp
Erstmals veröffentlicht wurde der Decision Canvas in Hey, nicht so schnell! – Wie du durch langsames Denken in komplexen Zeiten zu guten Entscheidungen gelangst* von Frank Habermann und Karen Schmidt. Im Arbeitsbuch findest Du weitere Werkzeuge für herausfordernde Entscheidungssituationen.
Ursprung
Erfinder des Decision Canvas und der dahinterliegenden Methode sind Frank Habermann und Karen Schmidt. Mit ihrer Beratung Over the Fence haben sich die beiden Deutschen auf Projektmanagement spezialisiert.
Der Decision Canvas von Over the Fence, overthefence.com.de unterliegt der „Creative Commons“ Lizenz (Attribution-ShareAlike 4.0 International).
Bonusmaterial
Frank Habermann: Langsam ist das neue Schnell. Wie langsames Denken Dein Projekt beschleunigt (42 min) – weitere Tools und Impulse für die (langsame) Projektarbeit
- Frank Habermann: Decision Canvas – Anwendung der Thinkers Trio Methode bei der Erarbeitung des Decision Canvas
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