Consulting the wrong Way – meine fünf größten Fehler als Unternehmensberater
Der griechische Philosoph Platon soll den Satz gesagt haben: „Der Fehler begleitet den Menschen.“. In meinen über 10 Jahren als Unternehmensberater habe ich viele Fehler gemacht, oft kleine unbedeutende, manchmal aber auch große gravierende. Fehler gehören dazu, aus ihnen lernt man. Fehler tun aber auch weh. Sie führen fast immer zu Mehrarbeit, häufig zu Enttäuschungen und oft auch zu Frustration. Und die möchte ich Dir gern ersparen. Deshalb gehe ich in diesem Beitrag auf meine fünf größten Fehler als Business/IT Consultant ein und zeige Dir, was Du aus meinen Schnitzern lernen kannst.
10 Jahre Consulting – meine 5 größten Fehler
Fehler #1: Ziele & Nutzen des Kunden ausblenden
2014. Genau ein Jahr bevor die Dieselkrise Volkswagen und später die gesamte deutsche Automobilindustrie erschüttern sollte, bin ich auf Projekt in Wolfsburg. Aufgabe ist die Einführung einer Governance für das Asset Management. Liest sich kompliziert? Einfacher ausgedrückt handelt es sich um die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Mannschaft, die für die Bereitstellung und den Betrieb von Büro-Hardware und Software verantwortlich ist.
Mein Kollege und ich sind engagiert. Oft bis in den späten Abend sitzen wir an Gremienstrukturen, Kommunikationspfaden und Verantwortungsbereichen. Eine Folie nach der anderen entsteht. Lange Meetings und Telkos, Donnerstag nehme ich den Spätzug zurück nach München. Nach zwei Monaten ist das Projekt vorüber. Das Resultat.
- Der Kunde ist unzufrieden mit unserem Ergebnis und sieht von einem weiteren Engagement ab.
- Unser Arbeit verschwindet in einer digitalen Schublade und gerät alsbald in Vergessenheit.
- Wir sind enttäuscht vom Projekt. Soviel Zeit, Energie und Herzblut. Für so ein mickriges Resultat.
Was ist da schief gelaufen? 4 Jahre später bin ich sicher: die sogenannte Pre-Project Analysis, also die Auftragsklärung, war lückenhaft bis gar nicht vorhanden. Was lerne ich daraus?
Lessons Learned – Kläre Deinen Auftrag
Führe zu Beginn mit Deinem Kunden eine Auftragsklärung durch. Auch wenn das vielleicht nervt bzw. die Kollegen und Kundenmitarbeiter mit den Augen rollen. Definiere, was die SMARTen Ziele des Projektes sind, worin deren Nutzen bestehen, welche Ergebnisse erbracht werden müssen, was im Scope liegt und welche Stakeholder wie einzubinden sind. Nimm zudem eine Risikoanalyse vor und notiere alle Fakten auf einem Projektsteckbrief. Gegen dieses Papier lässt Du Dich messen. Beide Tools findest Du im Consulting Methodenkoffer.
Fehler #2: Kollegen und Vorgesetzte überfrachten
2007. Noch geht es den Banken gut. Ich arbeite bei eben solcher in der Schweizer Stadt Genf als Business Analyst. Meine berufliche Karriere nimmt gerade erst Fahrt auf. Ich möchte richtig durchstarten, habe mich freiwillig für die Umsetzung eines Over the Counter (OTC) Produkts in einem bestehenden Kernbankensystem gemeldet.
Als verantwortlicher Analyst schreibe ich kontinuierlich E-Mails an Kollegen, Vorgesetzte und Dienstleister. Alle sollen über alles informiert sein. Pausenlose ist mein Chat-Fenster geöffnet, im Tages-Takt rufe ich Calls und Meetings ein. Es kommt wie es kommen musst. Zwei Monate nach Projektbeginn ruft mich mein Chef zu sich ins Büro. Seine Botschaft:
- Der indische Entwicklungsdienstleister ist überfordert. Er erhält zu viele Mails von mir. Statt Programmcode zu schreiben, textet er Antwortschreiben.
- Der Kunde und zukünftige Nutzer rügt mich mit Begriff „Overeagerness“. Zu oft würde ich seine knappe Zeit mit unspezifischen Fragen nach Anforderungen in Anspruch nehmen.
- Ich selbst verliere zu viel Zeit mit Koordination und Kommunikation. Statt Produktaspekte zu durchdringen und Konzepte zu entwickeln, bin ich am telefonieren.
Klar, 2007 steckte die agile Entwicklung mit Scrum, Kanban & Co. im europäischen Raum noch in den Kinderschuhen. Trotzdem spanne ich den Bogen zu weit, selbst für agile Verhältnisse. Was kannst Du als Consulting Lektion daraus mitnehmen?
Lessons Learned – Wechsel die Perspektive
Versetze Dich in die Situation Deines Gegenübers. Was denkt, hört, fühlt, sieht und will dieser? Insbesondere ranghörere Kunden und Kollegen leiden unter akuter Zeitnot. Wettbewerbsgerangel, Führungsverantwortung, Karriereziele, Unternehmensvorgaben, Überstunden, Erwartungen, etc. sorgen für kontinuierlichen Druck auf dem Kessel.
Kommuniziere knapp und auf den Punkt. Das Fazit zuerst, anschließend die Details. Berater nennen dies das Pyramidenprinzip. In meinem Buch High Performance Consulting* gebe ich Dir dazu weitere Tipps.
Fehler #3: Persönlicher Einsatz um jeden Preis
2017. Digitalisierung wohin man auch schaut. Auch ein Energieausrüster möchte Teil der Bewegung sein, seine Geschäftsmodelle ins neue digitale Zeitalter führen. Zusammen mit zwei Senior Kollegen begleite ich eine Workshop Reihe unter dem Titel „Geschäftsmodell Innovation“. Im Wochentakt sind wir zwei Tage in Ludwigshafen. Den Rest der Woche bereiten wir die Workshops in München vor bzw. nach.
Die Lernkurve im Projekt ist hoch, dennoch schlaucht das Vorhaben. Kurz vor Workshop 4 spüre ich, wie ich krank werde. Mein Hals schmerzt, spürbar nimmt meine Leistungsfähigkeit ab. Ich bin einfach nur müde. Trotzdem steige ich am Dienstagabend am Münchner Hauptbahnhof in den ICE. Verschwitzt treffe ich im Hotel ein, durchlebe anschließend eine schlaflose Nacht mit Schüttelfrost, Hustenanfällen und Kopfschmerzen. Am Morgen sage ich mit letzter Kraft den Kunden und Kollegen unseren Workshop ab. Die Reaktion:
- Der Kunde ist irritiert, schließlich hatte ich ihm einen Tag zuvor noch meine Teilnahme zugesagt.
- Die Kollegen sind verärgert fehlt ihnen im Projekt jetzt der fest eingeplante Methoden-Kompetenzträger.
- Der Hotelbesitzer ist verwundert über einen Gast, der drei Tage lang das Zimmer ununterbrochen in Beschlag nimmt.
- Ich verbringe unruhige Tage im Hotel, fernab von meiner Familie, die mich sonst in solchen Situationen pflegt und unterstützt.
Eine Erkältung ist noch lange kein Grund, die Bordsteine hochzuklappen und zu Hause zu bleiben. Inzwischen bin ich feinfühliger geworden. Aus dem Rheinlandpfalz-Debakel kann ich Dir folgende Tipps mit auf den Weg geben.
Lessons Learned – Achte auf Dich
„Client first“ ist ein beliebter Satz unter Unternehmensberatern. Ich halte dagegen und sage „Consultant first“. Nur ein gesunder und ausgeruhter Berater kann sich um seinen Kunden kümmern. In der Metapher eines Flugreisenden: erst wenn Du selbst die Sauerstoffmaske aufhast, kannst Du anderen Passagieren weiterhelfen.
Wie Du vom Arbeitspensum runterkommst, habe ich für Dich im Beitrag Arbeitszeit reboot – wie Berater von der 60h Woche wegkommen zusammengefasst. Führe zudem ein Mindshift durch. Nicht Dein Input, sondern der Output zählt. Erneut hilft hier die Auftragsklärung, zu finden unter anderem im Consulting Methodenkoffer
Fehler #4: Scheinbare Randdetails ignorieren
2011. Vier Kollegen und ich sitzen an einem Beratungsangebot für ein großes deutsches Personentransportunternehmen. Seit drei Tagen tüfteln wir an unserer Offerte. Auch heute ist es wieder spät geworden. Aber der Feierabend kann warten, unser Vorschlag muss morgen Punkt 9 Uhr beim Kundenunternehmen vorliegen.
Im Kopf rechne ich nach. Insgesamt arbeiten fünf Personen für drei volle Arbeitstage am Proposal. Hinzu kommt die Bedarfsanalyse mit dem Kunden, Koordinationsaufwände sowie An- und Abfahrtszeiten zum Büro. In Summe sind das locker 20 Tage, also ein voller Personenmonat.
Am nächsten morgen erhält der potentielle Klient unsere Angebot pünktlich auf seinem Schreibtisch. Wir sind stolz. Unser Beratungsansatz ist innovativ, die Kundenvorteile liegen auf der Hand und auch der Preis ist kompetitiv kalkuliert. Doch bereits am Nachmittag erreicht uns überraschend eine Nachricht. Der Kunde findet unser Proposal prinzipiell klasse, allein wegen einer Anforderung muss er dieses jedoch bedauerlicherweise ablehnen. Wir sind nicht als Dienstleister seines Unternehmens gelistet. Ein formales Detail. Das Resultat:
- Der Kunde muss für ein Angebot eine weitere Unternehmensberatung anfragen. Dies kostet ihn Zeit und Energie. Zukünftig überlegt er sich, uns um eine Offerte zu bitten.
- Unser Beratungsunternehmen investiert über einen Personenmonat in eine Absage. Bei einem Seniorberater-Gehalt sind ist das locker ein fünfstelliger Euro-Betrag.
- Ich bin enttäuscht. Nicht nur, weil die drei Spätschichten umsonst waren, sondern weil ich jetzt nicht Teil eines hochinteressanten Projektes werden kann.
Was lerne ich daraus?
Lessons Learned – Habe ein Auge fürs Detail
„Attention to details“, auf die Kleinigkeiten kommt es an. Ob im Bewerbungsgespräch, Angebotsprozess oder der Projektarbeit – Details machen den Unterschied. Berücksichtige auch die unscheinbaren, meist langweiligen, teilweise auch trivial anmutenden Randnotizen. Stelle gezielt Annahmen („Ich gehe davon aus, dass..“) auf, halte sie schriftlich fest und kommuniziere diese.
Bleibe bei der Angebotserstellung zudem nah am Kunden. Bereits früh baut ihr eine Arbeitsbeziehung auf, Du erfährst zusätzliche Details und prüfst kontinuierlich ab, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Beauftragung ist. Weitere Infos zur Angebotserstellung findest Du in meinem Buch Das perfekte Beratungsangebot*.
Fehler #5: Auf eine Weiterbeauftragung hoffen
2015. In sechs Wochen läuft mein Projekt beim Premiumfahrzeughersteller in München aus. Mündlich hat mir der Kunde die Fortsetzung seines Projektes zugesagt. Ich bin guter Dinge. Warum auch nicht, der Wirtschaft, deutschen Unternehmen und meinem Kunden geht es blendend.
Drei Wochen vor Projektende. So langsam werde ich unruhig. Um ein Anschlussprojekt habe ich mich bisher nicht gekümmert. Ich wende mich an meinen Bestandskunden. Dieser wiegelt ab, alle Zeichen stehen auf Weiterführung. Ich möchte wissen, ob er ein Angebot oder zumindest eine Vorgehensskizze benötigt. Dankend schüttelt er den Kopf.
Eine Woche vor Projektende. Der Kunde bittet mich um ein Gespräch unter vier Augen. Sein (und damit mein) Projekt wird gestoppt, das Top-Management hat sich anders entschieden. Die negativen Folgen:
- Mein Beratungsunternehmen generiert mit mir kurzfristig keinen Umsatz. Zusätzlich muss es sich nun um ein Folgeprojekt für mich bemühen.
- Für den Kunden ist das Projekt zu Ende. Firmenintern wird er sich nun nach anderen Aufgaben umsehen müssen.
- Auch ich stehe ab sofort ohne Projekt da, sitze von nun an auf der Bank. Das zerrt am persönlichen Jahresbonus, schließlich bin ich ebenfalls auf den Umsatz verzielt.
Immer wieder kann es passieren, das Projekte kurzfristig abgesagt oder überraschend gestoppt werden. Um hier nicht sehenden Auges aus dem Arbeitsrhytmus zu kommen, kann ich Dir folgende Hinweise mitgeben:
Lessons Learned – Sorge selbst für den Folgeauftrag
Gleise im letzten Drittel des noch laufenden Projektes Deine Nachfolgetätigkeit auf. Erste Anlaufstelle ist der Noch-Kunde, zu ihm ist die Beziehung schließlich am frischsten. Fühle ihm auf den Zahn. Wie realistisch ist eine Folgebeauftragung? Welche Mittel- bis Langfristziele verfolgt er? Biete Deine Hilfe an sein Vorhaben voranzutreiben.
Falls sich das Projektende abzeichnet, ziehst Du größere Kreise, wendest Dich an Kollegen, Vorgesetzte, Bestandskunden und Partner. Smarte Berater setzen auf mehrere Pferde gleichzeitig und treiben parallele Projekte voran. Das ist zwar manchmal stressig, sorgt aber für eine anhaltende Grundauslastung.
Fazit
Wo gehobelt wird, fallen Späne. Fehler können passieren, nur wenige Dinge sind wirklich unumkehrbar. Nach dem Faux-Pas gegenüber den Kollegen, Vorgesetzten, Kunden oder Dir selbst heißt es: 1. Scherben aufkehren, 2. die Dinge zurück ins Lot bringen und – ganz wichtig – 3. den Fehler zu reflektieren. Dieser Blogbeitrag ist damit meine öffentliche Reflexion. Der letzter Fehler in meiner Consulting Laufbahn wird es nicht gewesen sein.
Bonusmaterial
Christopher Schulz, Staufenbiel Institut: Consulting the wrong Way (21 min)
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