Consulting Disrupted

Consulting Disrupted – weshalb sich die Beratungsbranche jetzt transformieren muss

Wie ein Orkan fegen die Digitalisierung und ihre Schwester Künstliche Intelligenz über die Gesellschaft hinweg. Medienindustrie, Einzelhandel, Finanzwesen – alle diese Wirtschaftszweige haben sich in den vergangenen 20 Jahren drastisch transformiert. Und die Consulting Branche? Die hält weitestgehend fest am traditionellen Geschäftsmodell. Doch wie lange noch? Wann gilt Consulting Disrupted? Zehn Thesen, weshalb sich klassische Unternehmensberatung transformiert.


Consulting Disrupted – 10 Thesen, weshalb sich klassische Unternehmensberatung transformiert

Das klassische Business Model Unternehmensberatungen, wie wir es heute erleben bzw. selbst praktizieren, existiert seit über 100 Jahren. Geändert hat sich das Model dabei nur marginal. Ob SWOT Analyse, 4P Modell oder Issue Tree – viele der klassischen Consulting Werkzeuge entstammen einer tayloristischen Kundenwelt. Oft Time & Material, manchmal Fixed Fees, ganz selten Value-Based Fees – auch am Erlösmodus ‚Ratschlag & Entlastung gegen Honorar‘ hat sich für die Beratungsindustrie wenig geändert.

Vom Ende oder einem einschneidenden Wandel im Geschäftsmodell ‚Beratung‘ fehlt jede Spur. Allein 2023 ist die Branche in Deutschland laut dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberater um gut 7 Prozent geklettert. Immer mehr Beratungen gründen sich, das jährliche Umsatzvolumen steigt, die Branche bleibt auf Wachstumskurs.

Doch wie lange geht das so weiter?

Mit Blick auf die Transformation ganzer Industriezweige in jüngster Vergangenheit drängen sich Fragen auf:

  • Wie lange halten die erprobten Erfolgsmuster der Unternehmensberatungen noch an?
  • Wie stark ist das klassische Business Model ‚Consulting‘ von einer Disruption bedroht?
  • Wie könnte eine weiterentwickelte, transformierte Form von Beratung aussehen?

Märkte verändern sich, Branchengrenzen verschwimmen, aggressive Wettweber betreten das Spielfeld, neue Technologien erledigen klassische Beratungsaufgaben. Da ist es angebracht, einen Blick in die nahe Zukunft der Unternehmensberatung zu wagen und Consulting Trends aufzuspüren. Nach meinen Artikeln Quo vadis Consulting? und Consulting Trends 2030 möchte ich einen weiteren Schritt mit folgenden zehn Thesen gehen.


These#1: Fach- & Methodenvorsprung von Beratungen schmilzt

Der von Beratungen lang gehegte Vorteil von Fach- & Methodenkompetenz gegenüber den Kunden erodiert. Im Zeitalter von Conversational AI wie ChatGPT, Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, Web-Trainings wie Udemy sowie Self-Service Kompetenzportalen wie den Liberating Structures wird methodisches Knowhow demokratisiert. Auch sinkt die Relevanz von Fachwissen. Es sind die Algorithmen intelligenter Software, die dieses Expertenwissen kapseln und die einstige Berater-Kunden-Informationsasymmetrie Codezeile für Codezeile wegschmelzen lassen.

These #2: Datenhoheit von Beratungen verpufft

Ähnlich geht es Beratungen bei den Daten. Galten die Consultancies einst als mächtige Hüter des Business Datengrals, so haben ihnen inzwischen IT-Unternehmen wie Amazon, Google und Co. den Rang abgelaufen. Den Rest erledigen spezialisierte Datenforscher, online Statistikportale oder die neu gegründeten Beratungseinheiten der Tech-Riesen. Zu allem Überfluss beraten sich Kunden mit webbasierter Business Intelligence Software und AI-getriebenen Chatbots selbst. Was bleibt sind die Interpretation und Kommunikation, wie Ralf Fuhrmann – Gründer des Bewerberportals PrepLounge sowie der Projektplattform consultingheads – im Interview bereits 2018 konstatierte.

These #3: Netzwerkvorteil von Beratungen entschwindet

Bisher pflegten erfolgreiche Beratungen ein großes Kontaktnetzwerk, das weit in die Industrie, Forschung und Politik hineinreichte. Bisher. Denn in Zeiten von Online-Expertenportalen wie Stackoverflow und Digital-Netzwerken wie LinkedIn ist der nächste Fachspezialist, Kompetenzguru und Impulsgeber nur einen Mausklick entfernt. Anregung und Vernetzung gibt es heute online auf Business Plattformen. Diese bieten neben einem schnellen und einfachen Zugriff, eine hohe Kontakt- und Kreativitätsvielfalt sowie einen auf persönlicher Reputation basierenden Teilnahme- & Aktualisierungsanreiz. Das zentral gepflegte beratungsinternen Kontaktregister kann da nicht mithalten. Es verliert und Wert und verschwindet irgendwann ganz.

These #4: Verfügbarkeit als Alleinstellungsmerkmal schwächelt

Geographische und zeitliche Verfügbarkeit sind zwei bedeutende Wettbewerbsvorteile speziell von großen Beratungen. Beide Pluspunkte greifen, solange die Belegschaft diese auch umsetzt. Das Problem: die nachrückende Arbeitnehmer setzen andere Prioritäten. Für junge Leute zählen heute Familie, Sicherheit und Determinismus wie aktuelle Studien von Deloitte und EY belegen. Auch in den Beratungen hält unterdessen die Generation Z Einzug. Diese Nachwuchsberater sind folglich nur noch begrenzt bereit sich für die klassische Hierarchie aufzuopfern, 60 Wochenstunden zu schieben sowie den Großteil ihrer Arbeitswoche im Hotel zu verbringen. Der einstige USP degeneriert, bis er keiner mehr ist.

These #5: Beratungsplattformen wachsen in Breite und Tiefe

Sie heißen Malt, consultingheads oder Klaiton – die Consulting Plattformen. Was bei Partnervermittlungen, Hotelreservierung und Handwerkersuche begann, ist inzwischen auch in der Beratungsbranche Usus. Plattformen schaffen Mehrwert. Für Berater übernehmen sie die Akquise, Kunden erhalten passgenaue Experten. Für beide Seiten reduzieren sich die Suchkosten. Das Problem: Berater verlieren die Kundenbeziehungen, schrumpfen zu Erfüllungsgehilfen. Ihre Kunden wollen nur noch mit der Plattform im Vertrag stehen und für jedes ihrer Projekte auf das perfekt orchestrierte Consulting All-Star-Team zurückgreifen. Laut einem Interview mit Jon Younger in brand eins Thema 28/2024* sind Plattformen gekommen um zu bleiben. Die digitalen Vermittler gewinnen an Bedeutung und differenzieren sich immer weiter.

These #6: Inhouse Consulting Einheiten weiter auf dem Vormarsch

Seit den 1980er Jahren setzen deutsche Industrieunternehmen auf interne Beratungskräfte, inzwischen leisten sich über 20 von 30 Dax Firmen eine interne Beratereinheit. Rascher Projektstart dank interner Beauftragung, Kosteneinsparungen dank unternehmensinterner Budgetverschiebungen, nachhaltige Verankerung von Wissen und Kompetenz – das sind nur drei Vorteile des Inhouse Consultings. Fakt ist: Interne Beratung bleibt weiter auf dem Vormarsch. Schlagkräftige Verbünde wie das Inhouse Consulting Network wachsen. Zudem wird Inhouse Consulting im Zeitalter der Wissensarbeit zusätzlich bei kleinen und mittleren Unternehmen Einzug halten. Verlierer der Insourcing Bewegung: externe Consultants.

These #7: Beraterrolle des Impulsgebers seltener nachgefragt

Auch die Personalstruktur beim Kunden ist im Fluss. Tatsache ist: Im 21. Jahrhundert verbringen die wenigsten Mitarbeiter ihr ganzes Berufsleben bei einer Firma. Active Recruiting, Job Portale, Home Office während der Covid-19 Pandemie, Sinnsuche – der technisch-soziale Mix führt zur stetigen Jobrotation sowie zur erhöhten Durchlässigkeit von Unternehmen. So berichten Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu von einer Wechselbereitschaft von knapp 50 Prozent unter den Angestellten. Jobhopping ist Teil des Berufslebens. Wo jedoch permanent Personen kommen und gehen, da gibt es bereits ausreichend neue Denkangebote und frische Sichtweisen. In Folge verlieren externe Berater und ihr neutraler Blick von außen an Wert.

These #8: Beratungsbranche wird transparenter

Mehr als 26.650 Beratungen zählte Deutschland im Jahr 2023, das sind rund 6.000 mehr also noch eine halbe Dekade zuvor. Eine wahrhafter Wildwuchs in Sachen Angebot, Vorgehensweise und Honorare. Doch erneut ist es die Digitalisierung, die den Nebel lichtet. Consulting Qualitätssiegel wie Beste Berater oder TOP CONSULTANT, Arbeitgeberbewertungsportale wie Kununu oder glassdoor sowie offizielle Online-Rankings wie die Lünendonk Liste oder brand eins ‚Die besten Unternehmensberater‘ bringen Licht ins Dunkle. Der Beratungsmarkt wird durchsichtiger, Informationsprivilegien fallen.

These #9: Solo-Berater unterminieren die klassische Pyramidenform

Seit Jahren zeigt die Entwicklungskurve von selbstständigen in freien Berufen in der Bundesrepublik konsequent in eine Richtung: Wachstum. Wirkten 2000 in Deutschland noch 700.000 Menschen als Selbstständige, Freelancer und Einzelunternehmer, so sind es laut Statista heute über doppelt so viele. Gemäß dem Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen sind 12.500 der in Deutschland erfassten 26.650 Consulting Häuser Kleinstberatungen mit weniger als 250.000 Euro Jahresumsatz. Diese Boutiquen untergraben das Modell klassischer pyramidal aufgebauter Beratungen. Sie sind flexibler, fokussierter und in der Regel auch günstiger als die mittleren und großen Consultancies. Gepaart mit den digitalen Beratungsplattformen entstehen neue Marktdynamiken.

These #10: Consulting Wachstum vorrangig in digitalen Themen

Inzwischen pfeifen (bzw. berichten) es allerorts die Spatzen (bzw. Analysten) von den Dächern: Digitalisierung bzw. speziell: Künstliche Intelligenz. Viele Beratungen haben das erkannt, und sich mit Design-Agenturen, Digitalisierungs-Boutiquen und Technologie-Startups personell verstärkt. Zudem werden fleißig Innovation Hubs gegründet, AI Prototypen verprobt und Cyber Security Labore aufgebaut. Änderungen beinhalten Digitalisierung. Berater treiben Änderungen. In Folge wachsen sowohl IT-Beratungen, die sich auf aufstrebende Technologien konzentrieren als auch solche Consulting Häuser, welche Kunden bei ihrer digitalen Adaptionsreise begleiten. Die Zukunft berät zu und mit digital. Vorbei ist die Zeit reiner Strategie-, Prozess- und Methodenberatung.


Fazit – Beratungsbranche ist im Wandel

Omnipräsente Tech-Firmen, emanzipierte Kunden, Vormarsch der Solo-Berater – das klassische Geschäftsmodell von Beratungsunternehmen wird von vielen Seiten in die Zange genommen. Noch bleibt das eigene Beratungsangebot wandlungsfähig, unterstützen Consultants die Kunden in diversen Rollen.

Doch ist der Wachstumskurs weiterhin garantiert? Oder gilt heute schon Consulting Disrupted?

Obige Aussagen sind meine Thesen, bereit von Dir untermauert, angezweifelt oder torpediert zu werden. Gerne Dein Kommentar.


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