Tobias Schütz

Consulting bleibt ein People Business – Prof. Dr. Tobias Schütz im Interview

In 5 bis 10 Jahren muss jeder Juniorberater die Grundzüge der Programmierung verstehen. Das behauptet Tobias Schütz, Professor für Marketing und Customer Science an der ESB Hochschule Reutlingen. Als Leiter des Masterstudiengangs Consulting & Business Analytics an der ESB Business School muss es Prof. Schütz wissen. Er kennt die Bedarfe der Kundenorganisationen, Unternehmensberatungen und Studierenden. Per Webkonferenz sprach Consulting-Life mit dem Hochschulprofessor über Consultant-Ausbildung, Beratungsmarketing sowie Consulting in digitalen Zeiten.


Dr. Christopher Schulz (Consulting LIFE): Herr Prof. Schütz: In einer zunehmend digitalen Welt – welches Fachwissen und Methoden-Knowhow sollte ein Unternehmensberater heute in Kundenprojekten im Gepäck haben?

Tobias Schütz

Grundsätzlich: nicht überall wo Digital draufsteht, ist auch Digital drin. Themen die erst als EDV (Elektronische Datenverarbeitung), später dann als IT (Informationstechnik) bezeichnet wurden, heißen heute Digital. Zu meiner Zeit in der Management Beratung wurde ganz klar zwischen IT- und Management-Welt getrennt. Heute sollten wir diese Trennung definitiv nicht mehr in dieser Härte vornehmen.

In den nächsten 5 bis 10 Jahren werden Unternehmensberater bzw. BWL Absolventen die Grundzüge der Programmierung verstehen müssen. Die früher oft ausgelagerte oder den Junior Consultants zugeschobene Aufgabe des ‚Numbers Crunchings‘ wird ein zentraler Wertschöpfungsbestandteil einer Unternehmensberatung sein. Nicht nur die geschäftlichen, sondern ebenfalls die technologischen Aspekte der Digitalisierung müssen Berater über alle Hierarchiestufen verstehen. Ich kann mich noch an Seniorpartner erinnern, die gegenüber dem Kunden damit kokettiert haben, dass sie im Detail gar nicht verstehen, was die „Juniors“ da mit den Daten genau machen. Das wird es zukünftig nicht mehr geben.

Als Professor gestalten Sie an der ESB Business School – Hochschule Reutlingen den Masterstudiengang Consulting & Business Analytics. Wie unterscheidet sich diese Ausbildung zu einem herkömmlichen BWL- oder Wirtschaftsingenieurstudium?

In der Zeit der Diplomabschlüsse haben junge Leute ein Fach vom ersten bis zum letzten Semester durchstudiert. Seit der Aufteilung in Bachelor- und Masterprogramme fungiert der Bachelor als Grundausbildung, der Master häufig als Spezialisierung.

So ist auch unser Studiengang Consulting & Business Analytics ein spezialisierter Masterstudiengang. Diese Spezialisierung ist Vergleichbar mit einem Master in Finance, Accouting & Taxation oder dem Marketing. Den Studiengang besuchen hauptsächlich Betriebswirte und (Wirtschafts-)informatiker, teilweise auch Mechatroniker und Maschinenbauer.


Mit Prof. Dr. Tobias Schütz in der Leitung – das Telefongespräch
Was bedeutet Null-Fehlertoleranz für Berater? Warum benötigen Consultants technischen Sachverstand? Alle Details kannst Du um rund 40-minütigen Interview nachhören.


Mehrere deutsche Universitäten und Hochschulen bieten Masterkurse für Consulting an. Worin besteht die Besonderheit der Hochschule Reutlingen?

Unterscheiden wir hier zwischen strukturellen und inhaltliche Merkmalen. Der Studiengang Consulting & Business Analytics ist kein Full-Time Studiengang. Teilnehmer lassen sich von ihrem Arbeitgeber 25 Prozent für das Studium freistellen. In dieser verfügbaren Zeit hören Sie bei uns Vorlesungen, arbeiten in Projekten, publizieren Artikel und schreiben ihre Masterarbeit.

Ursprünglich prägten die Beratungseinheiten der beiden Unternehmen IBM und HP Enterprise maßgeblich den Studiengang. Damit waren unsere Lehrinhalte schon immer sehr Technologie-orientiert. Inzwischen erhalten wir viele Bewerbung von nicht IT-Beratungsunternehmen.

Aufgrund unserer Historie liegen die inhaltlichen Schwerpunkte bei uns auf Technologiethemen. So finden Sie bei uns Module wie Digital Management, Digital Boardroom, Digital Architecture und Advanced Data Analytics. Studierende erlangen einen mathematisch- naturwissenschaftlich-geprägten Master of Science. Selbstverständlich decken wir aber auch den klassischen Skill- und Methodenbaukasten der Strategieberatung ab. Externe Dozenten runden unser Programm ab.

Berater sind für 60-Stunden-Wochen und vollen Terminkalender bekannt. Gilt dieses ebenfalls für Ihren angebotenen Masterstudiengang?

Der Master verlangt 90 ECTS-credits, die generell mit ca. 30 akademischen Stunden (45 Min) pro credit angesetzt werden. Rechnerisch müssen Sie also in zwei Jahren 2.700 akademische bzw. 2.025 Zeitstunden aufwenden. 750 akademische Stunden sind bereits durch die 75 Vorlesungstage verteilt über 3 Semester abgedeckt. Im 4 Semester schreiben die Studierenden ihre Masterarbeit. Jede 2-3 Woche sind Sie bei uns von Mittwoch bis einschließlich Samstag auf dem Campus. Tatsächlich sollten Sie weniger Zeit als die veranschlagten 2.700 akademischen Stunden benötigen. Anders als reguläre Stunden besitzen Sie als regulärer Arbeitnehmer bereits Kontakte in die Wirtschaft, haben zudem schon eine funktionierende Infrastruktur. Nicht möglich ist das Verrechnen regulärer Projekte bei Ihrem Arbeitgeber als Studienleistungen. Wir empfehlen unseren Studierenden immer eine Masterarbeit, die dem Arbeitgeber ebenfalls weiterhilft.

Im Schnitt betrachtet können unsere Teilnehmer mit 10-15 Arbeitsstunden pro Woche für das Studium rechnen. Ich sage hier ganz bewusst durchschnittlich, da der Zeitaufwand in den Vorlesungswochen und vor Abgaben oder Prüfungsleistungen deutlich höher ist. Dafür stellen wir sicher, dass z.B. der August frei bleibt.

Die Kerngruppe unser Studierenden kommt von Technologieberatungen oder Beratungszweigen von Unternehmen, z.B. von Detecon, Siemens, HPE und IBM. Studierende von klassischen Top-Management-Beratungen begrüßen wir seltener, da diese Firmen ein anderes Arbeitsmodell fahren und ihre Mitarbeiter eher nach zwei Projektjahren für 12 fortlaufende Monate für einen Master of Business Administration (MBA) oder einer Promotion freistellen.

Sie waren selbst Strategieberater bei der OliverWyman Consulting Group und J.D. Power & Associates – inwieweit hat sie diese Zeit als Consultant für Ihr Professorenamt geprägt?

Sie könnten das akademische Leben ganz anders spielen als die Zeit in der Beratung. Wir sind Beamte – wenn wir wollten, dann könnten wir mit Fristen und Ergebnissen ganz anders umgehen als in Beratungsunternehmen.

Tatsächlich haben wir an der ESB Business School in Reutlingen jedoch eine große Population von ehemaligen Beratern. Die Folge ist, dass wir eine Kultur haben, die ich als sehr beratungsnah bezeichnen würde. Klassische Beratertugenden wie ‚Ownership‘ ‚Sense of Urgency‘, ‚Attention to Detail‘ oder die regelmäßige Frage nach dem ‚So What?‘ findet man recht häufig bei uns. Und ja…wir arbeiten auch ein bisschen zu viel. So war mein gefühlter persönlicher Einschnitt beim Wechsel von Beratung zu Hochschulprofessur nicht sehr groß.

Wie hat sich Unternehmensberatung Ihrer Beobachtung nach in den vergangenen 20 Jahren gewandelt?

Das ist schwierig zu sagen, da die Projekte untereinander sehr verschieden sind. Tatsächlich ist meine Wahrnehmung, dass sich das Leben für einen Juniorberater weit weniger gewandelt hat als das für einen (Senior) Partner.

Zu meiner Zeit konnten erfahrene Partner noch zu einer christlichen Zeit ins Büro kommen bzw. dieses auch zu einer christlichen Zeit verlassen. Dabei verdienten Sie eine sehr große Menge an Geld. Inzwischen hat der Wettbewerbsdruck enorm zugenommen. Einen Senior Partner mit einem entspannten Arbeitspensum müssen Sie heute mit der Lupe suchen. Das gilt für kleine und große Beratungen gleichermaßen.

Nach wie vor ist der Job selbst und die Möglichkeiten einer Karriere in der Beratung aber extrem interessant. Entlang der Karriere bieten sich viele spannende Abzweigpunkte.

Aktuell lehren Sie unter anderem in den Bereichen Digital Customer Experience und Services Marketing – was können denn Beratungen in Sachen Marketing lernen?

Für die rein eigene Vermarktung können Unternehmensberatungen vergleichsweise wenig von aktuellen Marketing Ansätzen lernen. Consulting ist und bleibt ein People-Business, das machen die Firmen viele Jahre schon sehr gut. Schon immer wurden (werdende) Schlüssel-Entscheider zielgerichtet mit Einsichten und Erkenntnissen versorgt.

Anders sieht es hingegen beim Consulting zum Marketing aus. Hier hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan.

Anders als Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater ist der Berufstitel ‚Unternehmensberater‘ in Deutschland nicht geschützt. Welche drei Eigenschaften zeichnet einen exzellenten Berater aus?

Auf Dauer sollte ein Unternehmensberater folgende drei Merkmale auszeichnen:

  1. Spike – Sie sollten etwas besser können als andere. Das erreichen Sie durch eine klare Positionierung als Person.
  2. Can-Do Einstellung – Sie sollten morgens aufwachen und Gas geben wollen.
  3. Durchhaltevermögen & Prozesssicherheit – Sie müssen mit einer Kultur der Null-Fehlertoleranz zurechtkommen. Mit Fehler meine ich Prozess- und Ergebnismängel.

Angenommen ich bin ein Juniorberater der Ihnen in den Projekten zur Seite gestellt wird. Welche Tipps würden Sie mir am ersten Arbeitstag mitgeben?

Mein wichtigster Tipp: Fragen Sie. Hören Sie nicht auf, Fragen zu stellen. Nochmal: Fragen Sie!

Die Wirtschaftswelt entwickelt sich in einem hohen Tempo weiter. Als Leiter des Masterstudiengangs Consulting & Business Analytics: welche Pläne haben Sie?

Initiiert wurde der Studiengang ursprünglich mit Business & Process Management für Technologiethemen inklusive einem ausgewählten Beratungsanteil. Diesen haben wir ausgebaut. September 2017 startete der erste Durchgang Consulting & Business Analytics. 2019 – also nach einem kompletten Durchlauf –  erhalten wir Ergebnisse von Studierenden und Dozenten. Auf Basis dieser werden wir das Fach inkrementell weiterentwickeln, an einzelnen Schrauben drehen.

Herzlichen Dank Prof. Dr. Tobias Schütz für Ihre Zeit und die spannenden Antworten.

Das Gespräch führte Christopher Schulz, Dienstag 06. März 2018


Über den Interviewpartner Tobias Schütz
Prof. Dr. Tobias Schütz ist Professor für Marketing und Customer Science an der ESB Business School der Hochschule Reutlingen. Er studierte und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und arbeitete als Projektleiter bei Oliver Wyman und als Director bei J.D. Power & Associates. Als akademischer Leiter verantwortet Prof. Schütz aktuell den Studiengang Consulting & Business Analytics (Master of Sciene).


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