Bewerber Screening

Backstage: Bewerbung im Consulting – das Bewerber Screening

Infos zur Bewerbung im Consulting gibt es wie Sand am Meer. „Das Assessment Center meistern“, „Der perfekte Lebenslauf“, „Die 10 typischsten Fehler beim Anschreiben“, „101 fiese Fragen im Jobinterview“, etc. – kaum ein Bewerbungsthema, das nicht auseinander genommen und en Detail unter die Lupe genommen wird. Doch wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen einer Unternehmensberatung aus? Wie laufen die Recruiting Prozesse ab? Was ist den Human Resources Kräften bei Jobkandidaten wichtig? Im Beitrag nehme ich Dich mit in den Consulting Backstage Bereich. Station 1 ist das Bewerber Screening, die Sichtung Deiner Bewerbungsunterlagen.

Das Unterlagen Screening ist der erste Bewerberfilter

Seit über 10 Jahren habe ich regelmäßig mit den Personalabteilungen von Beratungen zu tun. Zum einen als Jobkandidat – in meiner Laufbahn habe ich über 10 Bewerbungsgespräche, drei Assessment Center und zwei Workshop-Wochenenden bestritten. Zum anderen als Unterstützer der Personalabteilung. So half ich bei über 50 Personaleinstellungsmaßnahmen, angefangen beim Werkstudenten bis hin zur Stufe eines Managers.

Regelmäßig erhalte ich hier auf Consulting-Life.de Anfragen, wie die Bewerbung im Consulting unternehmensintern abläuft. Da es sich um ein vielschichtiges Thema handelt, zerlege ich den Prozess in seine Einzelteile. Und dies nicht aus der Bewerbersicht, sondern aus der Perspektive der Human Resources (HR) Abteilung sowie der beteiligten Berater.

Den Anfang macht die Prüfung der Bewerbungsdokumente, auch Bewerber Screening oder Bewerbungsanalyse genannt. Dabei checkt der Personalverantwortliche strukturiert Deine Bewerbungsmappe, insbesondere die harten quantitativen Kriterien. Auslöser ist entweder…

  • Deine gezielte Bewerbung als Antwort auf eine Stellenanzeige bzw. der Anfrage eines Headhunters oder
  • Deine Initiativbewerbung bei einer Beratung, die offiziell nicht nach Kandidaten sucht.

Generell gilt: Personalsuche im Consulting ist teuer, sowohl was den Prozess als auch eine falsche Entscheidung betrifft. Je tiefer Du bei Deiner Bewerbung in das Beratungsunternehmen vordringst, desto mehr Zeit, Energie und Aufmerksamkeit wendet dieses für Dich auf bzw. desto hochrangiger (und damit teurer) auch die Personen, mit den Du interagierst.

Ein systematisches und gewissenhaftes Unterlagen Screening kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Als erster Filter trennt der Prüfvorgang bei den Jobinteressenten die Spreu vom Weizen und sorgt dafür, dass tatsächlich nur Top-Kandidaten zum Auftaktgespräch eingeladen werden.

Die Konsequenz in der Mitarbeiterbeschaffungspraxis: Referenten und HR Verantwortliche agieren beim Bewerber Screening tendenziell konservativ. Ihr Credo: Lieber einen Wackelbewerber aussortiert, als einen falschen Match weiter durch den Einstellungsprozess geschleust. So wundert es kaum, das rund 3 von 4 Bewerbungen bereits in dieser Initialstufe aussortiert werden. Du hast richtig gelesen: durchschnittlich werden nur 25 Prozent der Bewerbungseingänge weiter verfolgt!

Das oberste Ziel Deiner Bewerbungsunterlagen steht damit fest. Du möchtest diese erste Unterlagenanalyse mit Bravour bestehen und Dir die Eintrittskarte für das Job Interview sichern. Kurzum: Deine Dokumente sollen Deine Eignung belegen und Lust auf die Person hinter dem Papier machen.

Jedes Bewerbungsdokument erfüllt einen bestimmten Zweck

Das Zusenden von Bewerbungsunterlagen ist eine einseitig gerichtete Kommunikation. Du präsentierst Dich, Deine Passung zum Unternehmen, seinen Kunden und – falls vorhanden – der Stellenanzeige. Die Beratung prüft diese Passung und informiert Dich über das weitere Vorgehen.

Bei den meisten Unternehmensberatungen wirst für eine Bewerbung folgende Unterlagen einreichen:

  • Anschreiben (Motivation, Wertbeitrag)
    Deine Motivation bzw. Beweggründe für die Bewerbung
  • Tabellarischer Lebenslauf (Wissen, Können)
    Deine beruflichen und akademischen Etappen, Ergebnisse und Erfolge
  • Schul- & Ausbildungszeugnisse (Wissen)
    Nachweise über Deine formale Bildung und Leistungsbereitschaft
  • Praktikums- & Arbeitszeugnisse (Können)
    Hinweise zu Deiner Berufserfahrung, Dein Arbeitsverhalten und persönlichen Eigenschaften
  • Fähigkeits- & Leistungsnachweise (Wissen)
    offizielle Belege für Deine fachliche und methodischen Kenntnisse
  • Optional: Referenzen, Arbeitsproben, Personalfragebogen
    Zusätzliche Infos und Belege zu Deiner Ausbildung oder Berufserfahrung

Dein Anschreiben sollte sich auf die Stellenbeschreibung sowie das Beratungsunternehmen beziehen und Deinen Wertbeitrag hervorheben. Dein Lebenslauf untermauert die geforderten Fähigkeiten und zeigt, dass Du ähnliche Aufgaben bereits für einen anderen Arbeitgeber erfolgreich erledigen durftest. Schließlich belegen Zeugnisse und Nachweise Deine Kompetenzen und präsentieren die positiven Meinungen Dritter über Dich und Deine Leistungen.

Speziell internationale Beratungen verlangen ein Teil oder alle Bewerbungsdokumente in englischer Sprache. Die Personalreferenten schlagen damit drei Fliegen mit einer Klappe. Sie…

  • erhalten Infos über Dich als Kandidaten,
  • testen Deine Sprachkenntnisse und
  • prüfen Deine Bereitschaft, bereits während der Bewerbung die im Consulting berüchtigte extra Meile zu marschieren.

Waren es bis in die 1990er Jahren hinein noch die Briefsendung, in den 2000er Jahren dann die Online-Portale, so sind es heute verstärkt wieder die E-Mailadressen der Personalreferenten, an welche Du Deine Bewerbungen richtest. Offenbar haben die Beratungen erkannt, das anonyme Job-Webseiten wenig Anziehungskraft und Attraktivität auf potentielle neue Mitarbeiter versprühen. Eine Person eine Bewerbungsunterlage zukommen zu lassen ist dann doch attraktiver als sie irgendwo online abzulegen.

Maximal 60 Sekunden Kurz-Check für die Bewerbungsunterlagen

Entweder das Screening übernimmt ein Headhunter bzw. professionelle Personal-Recruiting Organisation, oder die Unterlagenanalyse wird durch eine der unternehmenseigenen Personalreferentinnen durchgeführt. Personaler geben Deinem Anschreiben 20-30 Sekunden. Anschließend wenden sie sich 20-30 Sekunden Deinem Lebenslauf zu. Mehr nicht.

Eine einzige Minute für Unterlagen, an denen Du stundenlang (vielleicht sogar tagelang) minutiös gefeilt hast! Ist das nicht viel zu wenig?

Definitiv nein. Versetze Dich dazu in die Situation der HR Kräfte. Gerade bei renommierten Beratungen bekommt eine Personalfachkraft zu Boom-Phasen (Ende des Sommer- bzw. Wintersemesters) täglich einen dicken Stapel an Bewerbungen auf den Schreibtisch geschoben. Für jede Unterlage 10 oder mehr Minuten zu investieren, würde zu lange dauern und wäre überdies nicht wirtschaftlich. Deshalb dieser Schnell-Check.

Passen sowohl Anschreiben als auch Lebenslauf, vertieft sich der (externe) Personalreferent in Deine Unterlagen. Erst dann werden Deine Zeugnisse und Leistungsnachweise überhaupt gelesen, wird sich mit Deinen Praktikumsbeurteilungen und außerberuflichen Engagements beschäftigt. Typische Fragen im Kopf der HR Kraft:

  • Wer ist der Bewerber?
  • Was macht dieser aktuell?
  • Warum bewirbt sich der Kandidat bei uns?
  • Ist der Bewerber ein High Potential?
  • Zu welchem Grad passt die Person zur offenen Position bzw. in unser Unternehmen?

Im Fokus stehen harte Auswahlkriterien, wie Abschlussnoten, Ausbildungsdauer bzw.  Praktika bei internationalen Unternehmen oder Auslandsaufenthalte an namenhaften Universitäten. Zudem werden die zentralen Schlagworte aus der Stellenbeschreibung mit den Begriffen in Deinen Unterlagen abgeglichen (z.B. Strategieentwicklung im Automobilsektor, Studium der Betriebswirtschaftslehre, Kenntnisse in SAP Cloud Services, Erfahrungen im Agile Project Management).

Fachlich tief dringen die Personaler nicht ein. Vielmehr geht es um den generellen Abgleich, ob Du als Kandidat vom bisherigen Werdegang und dem angenommenen Entwicklungspotential ins Unternehmen passen würdest. Auch sind soziale und methodische Kriterien wie Persönlichkeit, Kommunikationsfähigkeit, Motivation, Kreativität, etc. von nachgelagerter Bedeutung.

Scheinst Du ein aussichtsreicher Kandidat, lassen einige Personaler ihr Urteil durch eine zweite (meist vorgesetzte) Fachkraft überprüfen. Einige Referenten führen zudem einen Hintergrund-Check durch. Dabei scannen sie die Inhalte Deiner eingereichten Unterlagen mit denen im Internet verfügbaren Ressourcen ab. Wie stellt sich der Kandidat auf Facebook dar? Passen Lebensstationen und Xing Profil zueinander? Welche Fotos sind auf Instagram über den Bewerber veröffentlicht?

Je nachdem, wie digitalisiert die Personalprozesse der Beratung sind, werden die Ergebnisse dieses Screenings in einem HR System verwaltet, dem sogenannten Bewerber-Pool. Bei kleinen und mittleren Beratungen erledigt dies eine Excel Datei, welche aufgrund der personenbezogene Daten verschlüsselt wird. Am Ende der Sichtung steht entweder die Ablehnung Deiner Bewerbung oder die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Meiner Erfahrung nach erhältst Du bei kleinen und mittleren Beratungen rascher eine Antwort, als bei großen Consultancies. Frage aktiv nach, falls Du nach 10 Arbeitstagen immer noch keinen Bescheid erhalten hast.


Bewerbung im Consulting - Was benötigst Du zusätzlich?

Ergebnisse

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Q&A – Bewerber Screening

Frage 1: Wie kann ich meine Chancen auf ein Vorstellungsgespräch erhöhen?
Zapfe vor der Einreichung Deiner Bewerbung Dein Kontaktnetzwerk an. Kennst Du eine Person, die bereits bei der Zielberatung wirkt bzw. dort erfolgreich gearbeitet hat? Lasse Dich von diesem Kontakt empfehlen. Personaler räumen Dir als empfohlenen Kandidaten einen Vertrauensvorschuss ein und laden Dich bei passablen Bewerbungsunterlagen mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Gespräch ein.

Frage 2: Wie wichtig sind die Bewerbungsunterlagen?
Deine Bewerbungsunterlagen sind das erste Arbeitsergebniss, welches eine Beratung von Dir erhält. Ein No-Go sind Rechtschreibe- oder Orthographiefehler, Struktur- & Layoutschwächen, zu kleiner/zu viel Text, eine verschwommene Fotoaufnahme, zu große PDF-Dateianhänge, etc.. Deine Unterlagen sollen optisch begeistern und inhaltlich Neugierde wecken. Liefere Spitzenleistung oder lasse Deine Bewerbung ganz bleiben.

Frage 3: Kann ich eine vorgefertigte Standardbewerbung einsenden?
Personalreferenten sind sehr gut darin zu erkennen, ob es sich um 08/15-Unterlagen handelt, oder ob Du Dir die Mühe gemacht hast auf die Anforderungen und Tätigkeiten der ausgeschriebenen Position individuell einzugehen. Passe Deine Bewerbung auf die Zielberatung an. Verwende Begriffe, die Du auch in der Stellenbeschreibung, auf der Unternehmenswebseite, in Publikationen der Beratung, etc. findest.

Frage 4: Was sollte ich bei meinen sozialen Profilen beachten?
Sorge dafür, dass sich Deine eingereichten Unterlagen mit den online von Dir verfügbaren Informationen decken. Lieber weniger Daten auf Xing, LinkedIn, Facebook und Co. als inkonsistente bzw. mehrdeutige Angaben. Entferne unpassende Fotos, zweifelhafte Hobbies sowie zeitlich lang zurückliegende Arbeitsstationen. Dein zweiwöchiges Praktikum zu Schulzeiten sollte nur die wenigsten Personalreferenten interessieren.

Frage 5: Meine Bewerbung wurde im Screening abgelehnt. Was nun?
Absagen sind kein Beinbruch. Leider geben Personaler in der Regel keine Begründung, warum sie sich gegen Dich als neuen Mitarbeiter entschieden haben. Zum einen, weil sie ihre Beratung damit rechtlich angreifbar machen. Zum anderen, weil auch eine gute Begründung Aufwand bereitet. Trotzdem solltest Du Dich nach Verbesserungsvorschlägen erkundigen. Fragen wie „Liebe Frau Personaler, was kann ich bei der nächsten Bewerbung besser machen?“ beziehen sich auf die Zukunft und werden eher beantwortet.

Fazit

Ein zentraler Baustein des Geschäftsmodells Unternehmensberatung ist ein qualifiziertes und motiviertes Personal. Beratungen tun eine Menge, damit ausschließlich exzellente Personen angezogen werden bzw. nur exzellente Bewerber die verschiedenen Bewerbungshürden überspringen.

Deine erste Hürde im Einstellungsprozess ist das Bewerber Screening. Die Sichtung Deines Bewerbungsunterlagen gibt den Personalern erste Anhaltspunkte über Deine fachliche, methodische und soziale Eignung für das Beratungsunternehmen. Setze bereits bei diesem initialen Berührungspunkt Akzente und liefere ein stimmiges initiales Gesamtbild ab. Dem anschließenden Telefon oder Job Interview sollte damit nichts mehr im Wege stehen.

> Du bist Berater und hast einen Insider-Tipp für die Bewerbung im Consulting? Hinterlasse ein Kommentar! Die Consulting-Life Community dankt für Dein Wissen.


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