Wertschöpfung durch Geschäftsmodelloptimierung – Peter Rochel im Interview
Als Unternehmensberater kommt man an dem Begriff ‚Geschäftsmodell‘ heutzutage nicht mehr vorbei. Kein Wunder. Laufend entstehen neue Unternehmen mit eigener individueller Funktionsweise um Gewinne zu erwirtschaften. Hingegen verschwinden traditionsreiche Betriebe nach Jahren des Wachstums. Ihre Geschäftsmodelle haben sich überholt.
Wo Tempo und Komplexität zunehmen, da sind die Ratschläge und Orientierung von Beratern gefragt. Consulting-Life.de hatte die Möglichkeit mit Herrn Peter Rochel, Inhaber von Oberwasser Consulting, zu sprechen. Seit der Gründung des Kölner Beratungshauses hilft er Kunden bei der Neuausrichtung und Optimierung ihrer Geschäftsmodelle.
Dr. Christopher Schulz (Consulting LIFE): Hand aufs Herz Peter – zu welchem Grad hast Du das Geschäftsmodell Deines Unternehmens – der Oberwasser Consulting – modelliert?
Tatsächlich ist das Geschäftsmodell von Oberwasser Consulting zu 100 Prozent mit Hilfe des Business Model Canvas konstruiert und auch modelliert. Insgesamt hat es 9 Monate und 30 Iterationen gebraucht, bis ein für uns realistisches und sinnvolles Modell stand. Von Anfang an waren einige Kanäle und Schlüsselressourcen fix. Stark variiert haben hingegen die Wertangebote, Schlüsselaktivitäten und Schlüsselpartner sowie die Einnahmeströme.
Worin liegt nach Deiner Ansicht der Erfolg der Geschäftsmodellierung mit dem Business Model Canvas von Alexander Osterwalder und Yves Pigneur?
Ich sehe dafür zwei Hauptgründe: zum einen hat Herr Osterwalder sein eigenes Geschäftsmodell sehr gut verstanden und setzt dieses konsequent um. Auf verschiedenen Onlinekonferenzen, Workshops und Webinaren hatte ich Gelegenheit ihn und seinen Geschäftspartner von Strategyzer Herrn Peter Sonderegger kennenzulernen. Sie wissen was sie tun. Der zweite Hauptgrund ist die simple Anwendung des Canvas. Selbst mit geringen Kenntnissen und wenig Erfahrung können Organisationen mit dem Ansatz schon viel angefangen.
Inzwischen hat sich das Business Modell Canvas aus meiner Sicht zum Industriestandard gemausert. Ein „Rund-um-Sorglos-Paket“ für die Erfassung und Optimierung von Geschäftsmodellen. Insbesondere mit den beiden Ergänzungen ‚Value Proposition Canvas‘ sowie ‚Culture Map‘ erhält ein Unternehmen eine 360° Sicht auf sein Geschäft. Zudem lässt sich das Business Model Canvas mit weiteren Konzepten wie der Blue Ocean Strategie, der SWOT Analyse oder Business Case Software kombinieren.
Um es auf den Punkt zu bringen: das Business Model Canvas ist ein zunächst einfach zu erschließendes Werkzeug mit hohem Tiefgang. Auch wenn in der Start-up-Szene adaptierte Fassungen des Konzepts zum Einsatz kommen, bleibt das Original für mich das Beste.
Bei welchem Unternehmenstyp bringst Du das Business Modell Canvas zum Einsatz?
Um ehrlich zu sein: bisher ist noch kein Unternehmen auf Oberwasser Consulting zugekommen und hat explizit um ein Business Model Canvas gebeten. Das Konzept ist für die Firmen eher ein Mittel zum Zweck ihre Geschäftssituation zu analysieren und anschließend zu verbessern. Zum Einsatz bringen wir das Tool sowohl bei kleinen 1- Personen Unternehmen als auch bei mittelständischen Handwerks und Industriebetrieben, sowie Organisationen wie Vereinen und Verbänden. Mehr und mehr kommen auch große Unternehmen auf uns zu.
In welcher Situation befinden sich diese Unternehmen dann (z.B. Gründung, Wachstum, Krise)?
Zwei Szenarien sind typisch für den Zeitpunkt ab dem uns ein Kunde um Unterstützung bittet:
Szenario 1: das Unternehmen hat ein Geschäftsmodell-Problem. Dies mag wirtschaftlicher Natur sein, kann aber auch im eigenen Personal begründet liegen.
Szenario 2: das Unternehmen verspürt starke Schwankungen beim Erfolg des eigenen Geschäftsmodells. Beispielsweise bei saisonalen Produkten oder Dienstleistungen.
Wie sieht für Dich ein typischer Einsatz des Business Modeling bei einem Kunden aus?
Prinzipiell ist der Einsatzbereich des Business Model Canvas unfassbar groß und reicht von der Strategieentwicklung über die Definition der Vision bis hin zum Einsatz als Kontrollinstrument. Im ersten Schritt unseres Vorgehens führen wir eine Potentialanalyse des aktuellen Geschäftsmodells beim Kunden durch. Das Mittel der Wahl ist ein 1-2 tägiger Workshop, je nach Größe des Unternehmens. Im Treffen erörtern wir den Ist-Stand und besprechen erste Potentiale. Dabei wir insbesondere auch implizites Wissen über das Unternehmen Visualisiert und genutzt.
Nachdem Klarheit über das Ist besteht gibt es nun zwei Möglichkeiten. Entweder wir detaillieren gemeinsam mit dem Kunden ergebnisoffen die Potentiale weiter aus. Oder wir entwickeln gemeinsam ein Ziel-Stand des Geschäftsmodells. Unglaublich wie viel Wissen an solchen Tagen transferiert wird, welche Dynamik im Team herrscht. Neben Transparenz schafft das Verbindlichkeit.
Ein großer Vorteil ist es, nicht nur die Führungsmannschaft dabei zu haben, sondern auch Mitarbeiter aus völlig unterschiedlichen Hierarchieerben und Abteilungen, bis hin zum Azubi. Schließlich wird ein Geschäftsmodell von allen im Unternehmen getragen und jeder Mitarbeiter verfügt über wertvolles Prozesswissen. Wir beobachten es immer wieder, vor allem im Mittelstand: die Leitung hat ihr Geschäftsmodell nicht wirklich im Kopf und die Arbeitgeber kennen nur Ausschnitte des Modells. Dadurch geht unglaublich viel Potenzial verloren.
Nutzt ihr für das Vorgehen spezielle Vorlagen, Checklisten oder Tools? Welche sind das genau?
Neben unserem Methoden- und Erfahrungswissen greifen wir in Kundenworkshops und -Meetings auf Canvas Poster unterschiedlicher Menge und Größe zurück. Hinzu kommen verschiedene Spezial-Tools wie Unterlagen mit Business Modell Schlüsselfragen, Lückentextvorlagen oder Testkarten. Schließlich machen wir ebenfalls von klassische Hilfsmitteln wie Flipcharts, Beamer manchmal auch Tablets zwecks eines Mittschnitts Gebrauch. Für die Nachbereitung und die kontinuierliche Arbeit an den Modellen setzte ich sehr gern die Strategyzer Toolbox ein.
Nachdem das Geschäftsmodell einmal zu Papier gebracht ist: wer braucht im Unternehmen den Canvas dann noch? Und wofür?
In der Praxis erleben wir öfters, dass das fertige Canvas im gesamten Unternehmen verteilt wird. Dann hängt ein Poster beispielsweise im Besprechungszimmer, ein anderes im Pausenraume, etc.. Dort wird das Canvas dann bestaunt, eine Weiterarbeit bleibt leider aus. Dabei ist die kontinuierliche Entwicklung des Geschäftsmodells eine Daueraufgabe.
Vor diesem Hintergrund unterstützen wir viele unserer Kunden nicht einmalig, sondern begleiten sie wiederkehrend im Business Modeling Prozess. Unsere Empfehlung: das Business Model Canvas mindestens einmal pro Jahr herausholen, hinterfragen und weiterentwickeln. Bauen, messen, lernen…
Ein Modell bleibt ein Modell: ein abstraktes, verkürztes Abbild der Realität mit einem pragmatischem Zweck. Wann und zu welchem Grad laufen Business Model Canvas und Realität regelmäßig auseinander?
Mit dem Abschluss der von uns durchgeführten Geschäftsmodell-Potentialanalyse sind auch die Lücken zwischen Ist- und Soll-Stand klar. Nun können konkrete ToDos und anschließend ein Umsetzungsfahrplan abgeleitet werden. Wenn möglich, mit konkreten Verantwortlichkeiten, Terminen und Meilensteine. Gegen diese wird dann in regelmäßigen Abständen geprüft, inwieweit das modellierte Geschäftsmodell und die Realität noch übereinander liegen. Bei Abweichung werden neue Maßnahmen aufgesetzt bzw. das Modell angepasst.
In großen Organisationen erleben wir, dass die Belegschaft sehr intensiv am Modell arbeitet, sich an diesem orientiert. Hingegen rückt bei kleinen Unternehmen das Modell eher in den Hintergrund. Letztendlich geht es nicht um die verzweifelte Einhaltung eines Konzeptes. Weitaus wichtiger ist, dass die Akteure unternehmerisch zu denken beginnen und teilweise komplexe Wertschöpfungsprozesse intuitiv begreifen. Dies allein ist schon ein riesiger Sprung. Das Business Model Canvas als Mittel zum Zweck.
Neben dem im Business Model Canvas erfassten Faktoren: welche (weichen) Parameter sind aus Ihrer Erfahrung essentiell für den Erfolg eines Unternehmens?
Eine geeignete Unternehmenskultur ist die Grundvoraussetzung, sowohl für gutes Wissensmanagement wie auch für Innovation. Wenn Innovation nicht nur auf Produkt- sondern ebenso auf Wertangebots- und Geschäftsmodellebene ermöglicht werden soll muss häufig auch die Unternehmenskultur angepasst werden. Es ist noch gar nicht solange her, da wurden soziale und kulturelle Aspekte eines Unternehmens nicht vom Business Model Canvas erfasst. Dies hat sich mit der Culture Map, eine einfache und schlichte Ergänzung zum Osterwalder Konzept, geändert.
Unabhängig dieser Erweiterung eignet sich das originäre Canvas aus meiner Sicht nicht für betriebswirtschaftliche Berechnungen, z.B. Investitionsplanung, Liquiditätsplanung oder Business Case Kalkulationen. Gerade für sich neu gründende Start-ups sind diese Funktionen jedoch wichtig. In unseren Projekten nutzen wir für solche Fragestellung ein kleines Softwaretool namens Smart Business Plan.
Zum Abschluss der Ausblick: wohin entwickelt sich die Modellierung von Business Models? Siehst Du hier noch weiteres Potential, beispielsweise für ein Business Model Canvas 2.0?
Wir bei Oberwasser Consulting sind der Meinung, dass das größte Wertschöpfungssteigerungspotential eines Unternehmens auf der Ebene des Geschäftsmodells liegt. Nicht bei den Dienstleistungen, Produkten oder Prozessen. Gab es noch vor 10 Jahren fünf generelle Geschäftsmodelltypen, so sind es heute über zwanzig. Der Trend geht in die Richtung komponentenbasierte Modelle wie Hochschullehrer und Unternehmensgründer Günter Faltin in seinen Büchern beschreibt bzw. mit seiner Teekampagne erfolgreich demonstriert.
Auch beim durchblättern der Wirtschaftspresse stößt man unweigerlich auf Schlagworte wie Volatilität, Komplexität, Vernetzung, Geschwindigkeit, Informationsverfügbarkeit und Digitalisierung. Kundenbeziehungen werden automatisiert, die Firma Google exerziert dies gerade vor. Organisationen kommen daher nicht umher, sich mit der Weiterentwicklung ihres Business Models auseinanderzusetzen.
Vielen herzlichen Dank Herr Peter Rochel für die interessanten Infos rund um das Business Modeling!
Das Gespräch führte Christopher Schulz, 15.07.2016
Über den Interviewpartner Peter Rochel
Seit 2014 ist Peter Rochel Inhaber des Kölner Beratungsunternehmens Oberwasser Consulting. Der Diplomierte Touristik Manager berät Führungskräfte aller Ebenen zur Entwicklung, Steuerung und Implementierung von wertschöpfenden Innovationsprozessen. Zu seinen Schwerpunkten zählen das Business Model und Value Proposition Design, die Geschäftsmodell-Potentialanalyse sowie das Culturemapping.
Bessere Fragen im nächsten Gespräch?
Nutze die 70 Techniken für Fragen & Zuhören aus meinem Buch Question Power*!