Self Consulting

Self Consulting – weshalb Firmen der unternehmensinternen Selbstberatung vertrauen

Lässt Du Dich zu Handtarifen beraten? Oder prüfst Du die Angebote online und fällst dann eine informierte Entscheidung? Wie stets mit Versicherungspolicen? Stromtarifen? Bankkrediten? Leasingverträgen?

Gehen wir die Frage von einer anderen Richtung an. Hat Dich Dein Hotel nach der letzten Dienstreise um ein Feedback gebeten? Deine Airline? Deine Taxi-App? Die Deutsche Bahn?

In privaten Bereich ist der Trend längst klar: Kunden übernehmen einen Teil der Beratungsleistung. Doch weshalb sollte das im Business-to-Business Consulting nicht auch funktionieren. Stichwort: Self Consulting. Ein Erörterungsversuch.


Weshalb überhaupt Self Consulting?

Aus welchem Grund sollte ein Kundenunternehmen eine eigene Beratungsfähigkeiten aufbauen?

Treten wir einen Schritt zurück und blicken wir auf drei verschiedene Industrien:

  • Ab den 1950er Jahren löste in Deutschland der Supermarkt und sein Selbstbedienungskonzept schrittweise den Tante-Emma-Laden ab. Unter anderem profitieren Kunden vom individuellen Einkaufserlebnis sowie geringeren Lebensmittelpreisen. Drogerien, Bäckereien und Fastfoodrestaurants adaptieren später das Erfolgsrezept.
  • Seit Mitte der 1970er Jahren eröffnet IKEA in Deutschland ein Einrichtungshaus nach dem anderen. Auch hier goutieren die Kunden die flexible Selbstbedienung und attraktiven Produktkonditionen. Dafür übernehmen sie mit dem Zusammenbau gerne Teil der Wertschöpfung.
  • Seit der Verbreitung des Internets ab den 1990er Jahren verschob sich das Bankgeschäft immer weiter zum Endkunden. Ob Kontoführung, Wertpapierhandel oder Altersvorsorge – Privatkunden nutzen breitwillig die individuellen Online Self-Service Angebote der Bankhäuser.

In vielen Endkundenbereichen zeigen die Signale seit Jahren ganz klar in eine Richtung: Do it Yourself. Auch Beratung ist davon betroffen. Verbraucher informieren sich vor, während und nach dem Kauf bzw. Nutzung eines Angebots. Ob eigenständige Reiseplanung im Internet, medizinische Erstberatung online oder Produktvergleich per Smartphone App – der Konsument von heute berät sich selbst.

Doch wie sieht es im Geschäftskundensektor aus? Wie weit ist in einer Wissensgesellschaft Self Consulting ausgeprägt? Klarer Treibstoff im 21. Jahrhundert: die Technologie.

  • Digitale Plattformen (z.B. Comatch, Haufe Advisory),
  • Online Wissensportale (z.B. Wikipedia, Consulting Methodenkoffer),
  • Umfrage Software (z.B. Self Consultancy),
  • Web-Expertennetzwerke (z.B. LinkedIn, Xing) sowie
  • Business Intelligence Systeme  (z.B. Qlik Sense, Tableau)

versetzen Kundenunternehmen in die Lage einen Teil der Beratungswertschöpfung einfach und schnell zurück in die Organisation zu holen. Grund genug den Begriff Self Consulting zu präzisieren.


Was ist Self Consulting?

Beim Self Consulting nutzt das Kundenunternehmen die eigenen Fähigkeiten wichtige und dringende Änderungsbedarfe zu identifizieren und umzusetzen. Statt für Projekte externe Beratungen einzubinden, vertraut der Kunde auf die Erfahrungen und das Knowhow der hausinternen Mannschaft.

Anders als zum Inhouse Consulting existiert jedoch keine etablierte Geschäftseinheit von festangestellten Unternehmensberatern. Stattdessen besitzt die Belegschaft in Breite die Kompetenzen bei Bedarf wie Consultants zu denken und zu handeln.

Typische Synonyme für Self Consulting sind Self Consultancy, Self Advice, Do it Yourself Consulting, Selbstberatung, Eigenberatung, Self-Service Beratung oder Kombinationen aus diesen Begriffen.

Self Consulting eignet sich für Beratungssituationen in denen…

  • Wissen & Fertigkeiten benötigt werden,
  • eine Organisation den Bedarf einer Änderung erkennt sowie diesem nachkommen kann und will
  • ausreichend personelle Kapazität zur Verfügung steht.

Das Kundenunternehmen möchte nicht nur das Problem gelöst haben, sondern zukünftig selbst in der Lage sein ähnlich gelagerte Herausforderungen zu meistern. Gemäß dem  Interventionsschema von Alan Weiss will der Kunde selbst fischen, statt für den geangelten Fisch zu bezahlen.


Schließen sich klassische Beratung und Self Consulting aus?

Keinesfalls! Self Consulting kann mit dem klassischen Einkauf externer Beratungsleistung kombiniert werden. Drei Szenarien sind möglich:

  • Vorgelagert: Das Kundenunternehmen erbringt den ersten Teil der Beratungsleistung und beauftragt für die Weiterarbeit externe Consultants. Beispielsweise führt es eine Analyse für einen Business Case durch und übergibt die erhobenen Daten dann den hinzubestellten Experten.
  • Arbeitsteilig: In einer zweiten Form arbeiten Kunden und Berater Hand in Hand. Verbreitet sind gemischte Projektteams in denen Mitarbeiter und Consultant arbeitsteilig auf ein gemeinsames Ergebnis hinwirken.
  • Nachgelagert: Schließlich greift die Kundenorganisation den Output einer Beratung auf und verwendet diesen dann weiter. Usus ist die Nutzung von durch Berater erstellte Entscheidungsunterlagen samt Management Summary. Der Kunde fällt den Beschluss und führt die resultierenden Maßnahmen auf eigene Faust durch.

Vergleiche Self Consulting mit einem Insourcing von Beratungsleistungen. Das Kundenunternehmen empfängt nicht nur das Beratungsergebnis, sondern prägt dieses in Leitung, Durchführung und Kontrolle.


Worin liegen die Vor- und Nachteile von Self Consulting?

Die Vorzüge & Defizite von Self Consulting decken sich mit denen des Inhouse Consultings. Für Self Consulting sprechen:

  • Kosteneinsparungen und Verhandlungsalternative
  • Rascher Projektstart und effiziente Projektdurchführung
  • Verringerung von Abhängigkeiten
  • Vermeidung des Abflusses internen Wissens
  • Entwicklung des Mitarbeiterstamms

Entgegen der Beratung in Eigenregie stehen:

  • Gefahr der Subjektivität, Betriebsblindheit und Befangenheit
  • Erschwerter Zugang zu externen Wissenspools
  • Fehlende Impulse und Ideen von Außen
  • Konfliktscheuheit und verminderter Leistungsdruck
  • Geringeres Gehör in den Führungsetagen

Technologie senkt die Zugriffsbarriere auf externes Fach-, Methoden- und Sozialwissen, entkräftet in Folge den schwierigen Zugang zu Wissenspools. Die Arbeitgeberwechselbereitsschaft einer wachsenden Generation Y und Z Belegschaft sorgt im Kundenunternehmen hingegen kontinuierlich für frische Impulse, reduziert also den dritten Nachteil. Operativ bleiben dennoch mehrere Argumente pro Consultant und contra interner Mitarbeiter speziell für einen akuten Beratungsbedarf stehen.


Welche Voraussetzungen müssen für Self Consulting erfüllt sein?

Für das Praktizieren von Self Consulting müssen drei grundlegende Vorraussetzungen geschaffen sein:

  • Haltung: Das Kundenunternehmen muss eine Consulting Mindset einnehmen. In meinen beiden Büchern High Performance Consulting* und Das Berater Kochbuch* erfährst Du, was diese Beratergrundeinstellung ausmacht.
  • Änderungsbereitschaft: Das Kundenunternehmen muss bereit zum Wandel sein. Consulting heißt Änderung. Ohne Wille zum Change, versagt jedes Beratungsprojekt.
  • Methodenexpertise: Das Kundenunternehmen muss problemspezifischen Beratungsmethoden kennen und können. Ob Strategische Planung, Projektmanagement oder Prozessoptimierung – wie jede Profession ist auch im Consulting vieles Handwerk. Der Consulting Methodenkoffer demokratisiert dieses Handwerkswissen.

Fachliches Wissen und soziale Kompetenz – zwei weitere Bausteine von Self Consulting – ist in der Regel bei Kundenunternehmen ausreichend vorhanden.


Fazit

„Berater werden meist überschätzt.“ titelte 2018 der kanadische Management-Vordenker Henry Mintzberg und ermutigt Kundenuntnernehmen zum internen Austausch in Peergroups. In das gleiche Horn stoßen Emrich et al. in A Platform for Data-Driven Self-Consulting to enable Business Transformation and Technology Innovation in der die Wissenschaftler eine digitale Beratungsplattform zum Wissensaustausch & Vernetzung zwischen Industrieunternehmen anregen.

Das einzige mir bekannte Buch zum Self Consulting erschien 1994. Aktuelle Fachliteratur und Marktstudien zur kundeninternen Beratung konnte ich nach Webrecherchen nicht finden. Kurzum: verbreitetes Material zum Self Consulting gibt es nicht. Eine Consulting Kompetenzsammlung mit dem Consulting Methodenkoffer und den Consulting Methodentraining schon.


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2 Kommentare

  1. Nach einem Jahr harter Arbeit haben wir eine Self-Consulting Plattform namens ConWISE.de aufgebaut. Wir glauben an die smarten Leute in den Unternehmen, die selbständig unterwegs sein wollen. Haben Impulse von aussen mit Hilfe von KI-Technik eingebunden, Experten-Listing für on-demand Beraterleistungen aufgestellt, Teile unseres Methodenkoffers als intelligente Schritt für Schritt Abläufe integriert. Aber eins ist uns auch bewusst geworden: Problemerkennung, mangelnder Leistungsdruck und Zeitmangel bei Führungskräften sind grosse Hürden. Die Leute brauchen den Berater auch als Koordinator, Zeitmanager, Antreiber und Moderator. Damit geht es in Richtung Hybrid Modell: Experten stellen Ihre individuellen Methoden und Assessment auf ConWISE und laden dann gezielt (potentielle) Kunden zum gemeinsamen Assessment ein, bzw. bewerten gemeinsam die „Self-Consulting“ Ergebnisse. Wir werden sehen, wie es sich entwickelt.

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