Die 6-W Fragetechnik – eine Sache strukturiert analysieren
Als Projektleiter, Führungskraft oder Wissensarbeiter bzw. deren Berater bist Du mit folgenden Fragen konfrontiert:
- Wie können wir uns systematisch eine Übersicht über ein Problem oder Ziel verschaffen?
- Welche flexible Beschreibungsstruktur hilft uns bei der Definition einer Aufgabe?
- Wo haben wir noch blinde Flecken bzgl. einem uns unbekannten Sachverhalt?
Unterstützung findest Du in der 6-W Fragetechnik und geeigneten Fragen nach dem Warum, Was, Wie, Wer, Wo und Wann.
Ergebnis: Sachverhalt systematisch analysiert und beschrieben
Teilnehmer: mind. 1
Dauer: ab 5 Minuten (je Sachverhalt und Teilnehmerzahl)
Utensilien: Zettel & Stift, Flipchart/Whiteboard/Metaplan-Wand & Stift oder Notebook & Internet
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Zweck
Mit der 6-W Fragetechnik erschließt und strukturierst Du einen (in der Regel Dir neuen) Sachverhalt. Die universell einsetzbare Methode schafft Überblick und Verständnis.
Kernelement der 6-W Fragetechnik sind die sechs offenen Leitfragen ‚Warum‘, ‚Wer‘, ‚Was‘, ‚Wann‘, ‚Wo‘ und ‚Wie‘. Mit ihnen lotest Du den Informationsstand sowie blinde Flecke zum einem vergangenen, aktuellen oder zukünftigen Sachverhalt aus.
Nutze die 6-W Fragetechnik als Leitfaden, Checkliste und Ergebnisstruktur in Interviews, Workshops, Problemlösungssitzungen und Recherchen.
Synonyme sind 6-W Fragen oder 6W Fragetechnik bzw. Schreibweisen mit und ohne Bindestrichen an den verschiedenen Stellen.
Aufbau
Sachverhalt – „Was wollen wir systematisch analysieren?“
Wie der Name andeutet besteht die 6-W Fragetechnik aus sechs Elementen, den sogenannten Leitfragen. Jede Gruppe enthält mehrere verfeinernde offene W-Fragen mit denen Du einen Sachverhalt von einer ausgewählten Perspektive erkundest und mittels der Antworten beschreibst.
Der Sachverhalt kann dabei…
- ein zu lösendes Problem,
- ein zu erreichendes Ziel,
- eine umzusetzende Aufgabe,
- eine unbekannte Situation oder
- eine andere offene Frage sein.
Nachfolgend die 6-Ws und beispielhafte Vertiefungsfragen.
Warum ist das wichtig?
Unterstreiche die Relevanz des Themas und weise auf Konsequenzen hin, falls sich nichts ändert.
- Aus welchem Grund und mit welchem Ziel sollten wir aktiv werden?
- Weshalb tritt das Problem auf?
- Worin besteht der Nutzen einer Umsetzung?
- Wie hoch ist das Risiko eines Schadens?
- Was passiert, wenn wir keine Maßnahmen einleiten?
Notiere die Ergebnisse dieser Leitfrage im Zieldiagramm oder einer Problem-Ziel-Beschreibung.
Wer ist beteiligt?
Grenze die beteiligten, betroffenen und zu informierenden Personen und Gruppen ein.
- Wer ist vom Problem betroffen?
- Wer soll von der Lösung profitieren?
- Wer ist nicht von der Entscheidung betroffen?
- Wer setzt die Maßnahmen um?
- Welche Personenkreise oder Einzelakteure müssen entscheiden?
- Welche Stakeholder verlieren nach der Umsetzung?
Gerne kannst Du die Antworten auf diese Fragen in der RACI Matrix, in der Stakeholder Map, in einem Soziogramm oder dem Onion-Model festhalten.
Was ist zu betrachten?
Beschreibe den Sachverhalt, sein Umfeld, Schnittstellen und bisher unternommene Schritte.
- Welche Fehler verursachen das Problem?
- Was wissen wir über die Ausgangssituation?
- Worin besteht der Idealzustand?
- Welche Aspekte sollten betrachtet bzw. ignoriert werden?
- Was für Maßnahmen wurden bisher umgesetzt?
- Welches Informationen sind Tatsachen, Vermutungen oder Meinungen?
Geeignete Ergebnisstrukturen für diese Leitfrage sind das Ishikawa Diagramm, Ist-Ist-Nicht Modell das Kontextdiagramm oder der System Footprint.
Wann passiert es?
Präzisiere Zeitpunkte oder Zeiträume für den Sachverhalt in der Vergangenheit, Gegenwart bzw. Zukunft.
- Zu welchem Zeitpunkt liegt die Lösung frühestens bzw. spätestens vor?
- Welchen Zeitraum umfasst die Umsetzung?
- Wann trat das Merkmal das erste Mal auf?
- In welcher Entwicklungsphase befindet sich der Sachverhalt?
- Über welche Dauer hinweg bestand das Problem?
- Wann tritt die Störung nicht auf?
- In welchen zeitlichen Intervallen tritt die Sache auf?
- Zu welchem Termin arbeiten wir an dem Thema weiter?
- Welche Jahreszeiten (Quartale, Monate, Uhrzeiten) sind entscheidend?
Visualisiere die Antworten zum Beispiel auf einem Jahreskalender, einem Zeitstrahl einer Roadmap oder Terminplan.
Wo passiert es?
Lokalisiere den realen bzw. virtuellen Ort des Geschehens so genau wie möglich.
- An welchen Stellen wurde das Problem bereits behoben?
- An welchem Standort soll die Lösung realisiert werden?
- In welcher Niederlassung finden die Störungen statt?
- An welcher Adresse in der Stadt treffen wir uns?
- In welchem Gebäude, Stockwerk und Raum findet das Meeting statt?
- Was ist die Einwahlnummer für die Telefonkonferenz?
Nutze Karten, Pläne oder Standortbeschreibung um die Antworten auf diese Fragen zu notieren.
Wie ist vorzugehen?
Schlage Ansätze, Lösungswege und Vorgehensmodelle vor bzw. beschreibe Abläufe und Art und Weisen.
- Auf welche Weise könnten wir das Problem lösen?
- Wie gestaltet sich der Terminplan für unser Vorgehen?
- Welche finanziellen, materiellen, personellen etc. Mittel benötigen wir?
- Welche Stakeholder müssen wir wie in die Lösung einbinden?
- Was ist der nächste sinnvolle Schritt zum Ziel?
- Wie läuft der Prozess in Zukunft ab?
Ergänze das Fragewort ‚Wie‘ optional mit Zusätzen wie ‚Wie oft‘, ‚Wie lange‘, ‚Wie viel‘ etc. und verschaffe Dir dadurch ein noch besseres Gesamtbild über den Sachverhalt.
Kanban Board, Aufgabenliste, Projektplan oder Roadmap sind nützliche Strukturen in denen Du die Ergebnisse aus dieser Leitfrage festhältst.
Anwendung
Die 6-W Fragetechnik lässt sich solo, in 1:1 Interviewsituationen sowie für die Arbeit im Team, beispielsweise im Workshop, einsetzen. Gehe in allen Fällen in drei Schritten vor.
1. Sachverhalt eingrenzen
Präzisiere zunächst den zu betrachtenden Sachverhalt.
- Handelt es sich um ein Problem, ein Ziel oder eine Aufgabe?
- Wird die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft betrachtet?
- Geht es um den Ist-, Ziel- oder temporären Plan-Zustand?
Halte den Sachverhalt als Zielaussage oder Fragestellung schriftlich fest.
2. 6-W Fragen anwenden
Beleuchte den Sachverhalt mit Hilfe der W-Fragen. Arbeite dazu die Leitfragen nacheinander ab. Stelle so viele Fragen wie möglich, um den Sachverhalt aus verschiedenen Perspektiven zu begutachten.
Notiere die Antworten sichtbar für alle auf Flipchart, Whiteboard, Metaplan-Wand oder direkt in einem (digitalen) Besprechungsprotokoll.
3. Folgeschritte aufsetzen
Nutze die Antworten auf die Fragen für die Planung von Folgeschritten.
- Welche Erkenntnisse ziehen wir aus den Antworten?
- Welche Aufgaben, Arbeitsweisen oder gar Projekte resultieren aus den Fakten?
- Was sollte unmittelbar als Nächstes passieren?
Halte beschlossene Maßnahmen in einer Aufgabenliste oder einem Kanban Board fest.
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Beispiele
6-W Fragetechnik für die Beschleunigung von Beratungsangeboten
Nehmen wir an Du leitest ein kleines Beratungsunternehmen. Deine Firma ist erfolgreich, immer mehr potentielle Kundenunternehmen bitten Dich um ein Beratungsangebot. Leider erreichen die von Deinen Mitarbeitern zusammengestellten Consulting Offerten oft nur verzögert bzw. gar verspätet die Interessenten.
Du möchtest den Missstand beheben und näherst Dich dem Sachverhalt mit folgender Frage:
„Wie können wir einem Beratungsinteressenten schneller als heute ein Angebot zusenden?“
Die mittels der 6-W Fragetechnik generierten Ergebnisse könnten wie folgt aussehen.
Da es sich beim zentralen Sachverhalt um eine ‚Wie‘-Frage handelt, sollten das ‚Wie‘-Feld mit vielen Antworten gefüllt sein.
6-W Fragetechnik im Consulting
Die Beratung von Unternehmen bietet zahlreiche Möglichkeiten für den Einsatz der Fragetechnik. Nachfolgend eine Auswahl aus meiner Consulting Praxis.
- Entwicklung eines Workshop-Konzepts gemeinsam mit Kollegen
- Beschreibung eines Beratungsprojektes mit dem potentiellen Neukunden
- Aufsetzen eines Maßnahmenplans zur Transformation vom Ist- zum Ziel-Zustand
- Vorbereitung eines Leitfadens für ein bevorstehendes Experteninterview
Vor- & Nachteile
Pro
- Mit der 6-W Fragetechnik wirfst Du eine 360 Grad Sicht auf einen Sachverhalt. Jede Leitfrage enthält ein Vielzahl von Impulsen ein Thema zu betrachten, einzuordnen und weiter zu beackern.
- Die Fragetechnik ist einfach erlernbar und sowohl synchron im Workshop oder Interview als auch asynchron in E-Mail oder Fragebogen anwendbar.
- Das Tool lässt sich direkt in der Praxis einsetzen. Einzig und allein Deine Sensibilität für die richtige Situation sowie eine Sammlung klug gestellter Fragen sind erforderlich, um mit den offenen W-Fragen ein breites Spektrum an Antworten zu erhalten.
- Die generische Technik ist rasch kommuniziert und bindet Beteiligte aktiv ein. Die grundlegenden Fragen fördern die gemeinsame Kommunikation und beugen Missverständnissen vor.
Contra
- Wie bei der Five-Why Fragetechnik hängt auch bei 6-W die Ergebnisqualität stark von Deinen Fähigkeiten ab gute Fragen zu stellen und in den Antworten zu lesen.
- Weder liefert die Technik die für einen Sachverhalt passenden Fragen, noch unterstützt sie Dich bei der Formulierung von Maßnahmen.
- Die Methode ist für einen neuen Sachverhalt zu empfehlen. Bei bekannten und bereits umfassend diskutierten Themen können die grundlegenden Fragen auf Ablehnung, Unverständnis oder Verärgerung stoßen.
Praxistipps
Tipp 1 – Fragereihenfolge bewusst variieren
Variiere die Reihenfolge der sechs Fragen, je nach Sachverhalt, Situation und Vorgeschichte. Versetze Dich beispielsweise in die Lage Deines Gesprächspartners und starte mit den Fragen, die ihn am meisten interessieren.
Tipp 2 – W-Fragen themenbezogen austauschen
Passe die Methode an Deine Bedarfe an. Ergänze zusätzliche Fragen in den Gruppen oder tausche Gruppen vollständig aus. Einige Anregungen:
- Wie? Wie oft? Wer? Worüber? Wann? Woher?
- Was? Wie? Worüber? Wo? Wann? Weshalb?
- Weshalb? Wer? Wann? Was? Wie? Womit?
Tipp 3 – Technik bei Bedarf auf 3-W einkürzen
Obwohl sie bereits kurz und knackig ist, lässt sich die 6-W Fragetechnik noch weiter zusammendampfen. Konzentriere Dich dazu auf die drei wichtigsten Fragegruppen:
- Stakeholder: Wer sind die Beteiligten?
- Ziele: Aus welchem Grund ist der Sachverhalt wichtig?
- Scope: Was liegt im Betrachtungsbereich?
Angaben zur Umsetzung (‚Wie‘), Zeitplanung (‚Wann‘) und Orten (‚Wo‘) holst Du in einem nachgelagerten Schritt ein.
Tipp 4 – Fragen lösungsorientiert stellen
Achte auf freundliche und konstruktive Denkweise bei Einsatz der Technik. Die Fragen sollten lösungsorientiert und positiv formuliert sein. Zudem ist der Fokus stets vorwärts statt rückwärts gerichtet.
Tipp 5 – Sache mit vielen Fragen umfassend erkunden
Besteht Zeit und möchtest Du den Sachverhalt in Gänze durchdringen, dann solltest Du so viele W-Fragen wie möglich stellen. 40 Teilfragen dürfen es für die 6-Ws problemlos sein. Nutze die Question Burst™ Methode zur Generierung passender Teilfragen.
Jede zusätzliche Frage hilft Dir zu verstehen, ob es sich um subjektive Meinungen, fundierte Tatsachen oder reine Vermutungen handelt.
Tipp 6 – Für Projekte zur 7-W Fragetechnik erweitern
Nutze die erweiterte 7-W Fragetechnik bei der Initiierung und Planung von Projekten.
- Wo stehen wir?
- Weshalb machen wir das Projekt?
- Was soll erreicht werden?
- Wer ist als Stakeholder involviert?
- Wie können wir das Ziel erreichen?
- Wann sollen (Teil-)Ergebnisse vorliegen?
- Wie viel Ressourcen, Ergebnisse, Mengengerüste etc. sind zu betrachten?
Beantworte die sieben Fragen ausführlich zum Projekt-Kick-Off und erhöhe die Erfolgsquote Deines Vorhabens.
Tipp 7 – Für die Meeting-Vorbereitung nutzen
Die 6-W Fragetechnik unterstützt Dich prima bei der strukturierten Vorbereitung eines Informationstreffens, einer Entscheidungssitzung oder eines Intensiv-Workshops. Mit jeder offenen Frage beleuchtest Du einen Meeting-Aspekt.
- Warum: Zweck des Meetings
- Wer: Teilnehmer und Rollen
- Was: Ergebnisse, Fragen oder Beschlüsse
- Wann: Start und Ende sowie ggf. Pausen
- Wo: reale bzw. virtuelle Ort sowie Zugang
- Wie: Ablauf, Methoden, Tools und Ergebnisdokumentation
Ursprung
Für Journalisten gehört die 6-W Fragetechnik zum Standardwerkzeug. Der Klassiker bildet die Grundlage von Recherchen und Interviews.
Aber auch für die Unfallaufnahme von Rettungsdiensten, Polizei und Feuerwehr sind die W-Fragen von zentraler Bedeutung.
Schließlich triffst Du die Technik ebenfalls im Lean Management an, wo sie den Beteiligten hilft Verschwendungsherde aufzuspüren und Verbesserungspotentiale zu identifizieren.
Bonusmaterial
- openPM: 7 W-Fragen des Projektmanagements – weitere Infos zur Nutzung der Fragetechnik für die Leitung von Projekten
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